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Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Titel: Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Moor
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war das Auslösende. Da war Weihnachten gerade vorbei, es war immer noch Weihnachtsstimmung, und dann in der WD R-Sendung «Guten Morgen» hörte ich ein Interview mit ihm. Das hat mich nahezu verrückt gemacht! Auch einmal später, im Mittagsmagazin. Zwei Tage später machte ich den Selbstmordversuch.
    Ich kam ins Lazarett nach Duisburg-Hamborn. Da haben sieversucht, mich wach zu bekommen, von morgens sechs bis nachmittags drei oder vier, aber da war gar nichts zu machen, und sie haben mich weiter nach Bochum gebracht, ins Gefängniskrankenhaus, und da haben sie mich abends ein wenig wach bekommen. Später haben sie erzählt: ja, och, die Tabletten, da hätten Sie hundert von nehmen können! Aber ich lag über eine Woche im Krankenhaus dort.
     
    Nach dem ersten Urteil ist der ganze Trieb eine Zeitlang verschwunden – alles, nicht etwa nur der Sexualtrieb als solcher, nicht nur die Phantasien vom Quälen und Töten, alles insgesamt war lange Zeit völlig verschwunden, und das war eine Wohltat. Das fing an mit dem Abend der Urteilsverkündung, wo ich den ersten Erstickungsanfall hatte. Mit einem Schlag war da Schluß. Bis zum Urteil ist der Trieb, auch die schlimmen Phantasien, genauso schlimm wie stets gewesen, wahrscheinlich eher noch stärker, weil es sich noch immer weiter und länger hinzog, die Phantasien usw. Ein gutes Foto genügte schon, um mich ganz schwer aufzuregen.
    Vor meiner Verhaftung, wenn dieser große Stau, dieser Trieb, rapide abgeklungen war, hatte ich natürlich, auch wenn keine Tat war, auch wenn es bloß Phantasie war, doch immer die große Ernüchterung usw.; das Gewissen und alles, das ist dann immer in derselben Sekunde zum Vorschein gekommen. Ich habe schon mal zweimal, auch dreimal in einer Nacht onaniert. Wenn das nicht abklingen wollte, dann machte ich einfach weiter.
    Es kam immer die Katerstimmung auch danach. Ich habe es nicht verhindern können, daß das praktisch jeden Abend kam. Danach war ich immer ganz fertig, und das Gewissen meldete sich, aber erst danach, also wenn die sexuelle Erregung nicht mehr da war.
    Danach phantasierte ich, diesmal aus freiem Willen, das genaue Gegenteil, aus einem Schuldgefühl (das sicherlich berechtigt war) heraus. Ich träumte dann davon, einen Beruf zu haben, wo ich Kinder pflegen und ihnen helfen würde. Ich rollte oft eineDecke zusammen; die war dann das Kind, und ich drückte es an mich, jetzt allerdings ohne jegliches sexuelle Gefühl. Das war dann wie eine Erlösung und eine Wohltat. Das war dann eben irgendein Kind für mich, aber nicht im sexuellen Sinne, sondern eine Art Wiedergutmachung, eine lächerliche, aber ich habe so Scheingespräche mit diesem Kind geführt.
    Es waren meistens Jungen, aber das kam wahrscheinlich vom Gewissen her. Ich habe richtige Gespräche mit dem Kind geführt, als ob ich nun eben nicht der wäre, der ich geworden bin, sondern eben jemand ganz Anderer gewesen wäre, der Kinder gern hat und mit ihnen spielt. Ich habe das Kind in den Arm genommen, wie man es eben tun würde, wenn man normal wäre. Das war immer ein richtiger Drang danach, ich meine das, und das mache ich heute auch noch.
    Seit dem ersten Urteil bzw. seitdem ich nicht ganz gesund bin [Oktober 1969], ist der sexuelle Drang bis jetzt fort, auch die Phantasien. Nur das Nachspiel ist geblieben, und ich will auch, daß es so bleibt, denn dieser Traum ist das Eigentliche, wenn der verdammte Sex nicht gewesen wäre, und diesen guten Traum, oder Wunschtraum, lasse ich mir nicht nehmen.
    Vielleicht einmal im Vierteljahr habe ich auch «Freundschafts»-Phantasien, aber das ist überhaupt kein Vergleich. Es hat ganze Monate gegeben, in denen die sadistischen Dinge überhaupt keine Rolle spielten. Das waren aber die Monate, wo ich nach dem ersten Urteil so schwer krank war. Monatelang blieb das Bedürfnis auf dem Nullpunkt. Das war die Zeit, wo ich praktisch keine Luft kriegte, wo ich mir einbildete, genug zu tun zu haben, mich selbst am Leben zu halten. Aber noch während der Verhandlung, mit der Anspannung im Termin zu sitzen, wirkte sich das böse, böse auf mich aus. Das war leider eher lebendiger als sonst. Dann wurde ich krank, aber ein paar Monate danach machte sich der Trieb wieder bemerkbar, und bald war er wieder ziemlich stark. Einmal war er so stark, daß ich mir selber eine Verletzung beibrachte.
    Der ganze Trieb hat sich bei mir zwar auf die Sexualität gerichtet,aber das hat sich nie spezifisch auf die Geschlechtsteile bezogen. Das war eher

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