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Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Titel: Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Moor
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werde, mich über jede nur mögliche Quelle zu unterrichten, wie es «wirklich» ist, Schließlich können die «Berichte aus der Schlangengrube» ja nicht völlig aus der Luft gegriffen sein. Nur Psychiater werde ich nicht mehr danach fragen. Die volle Wahrheit bekommt man ja doch nicht gesagt.
    ***
     
     
    Düsseldorf, August 1971
     
    … Ja, warum erhalte ich die
Eltern-
Zeitschrift (warum eigentlich nicht?). Da kann ich Dir nur sagen, was ich auch Prof.   Dr.   Rasch schon dazu erklärt habe: als Negativ-Positiv. Diese Zeitschrift ist für «so einen» auf beide[n] Seiten anregend, nämlich, wenn er von seinem Trieb befallen ist, aber auch, wenn er seine normale Zeit hat; dann liest er sie, im anderen Fall schaut er ja nur die Bilder an. Ich persönlich interessiere mich besonders in «normalen» Zeiten für diese Zeitschrift, weil ich sie für sehr gut, fortschrittlich und wichtig für die Kindererziehung halte. Ich denke dann immer, ja, so würde ich es auch machen, wenn ich Kinder hätte. Und Du weißt ja, daß ich «eigentlich» Kinder sehr, sehr gerne habe; ich möchte im ganz «normalen» Sinne Tag für Tag mit ihnen spielen.
    Ach ja, Yvonne. Nun, letztes Jahr, ungefähr um diese Zeit (August oder Juli) schrieb sie mir («Lieber Herr Bartsch!») und ich schrieb zurück, lehnte dankend («Hochachtungsvoll») ab. Aber sie ließ keine Ruhe, so daß es schließlich zum ausgesprochenen Briefwechsel kam. Sie sandte mir auch Fotos, ich ihr eins von mir. Dann: «Darf ich Sie nun endlich Jürgen nennen?» Sie durfte, und ich schrieb «Yvonne». Ihre Briefe (meine zwei oder drei Seiten) waren meist beängstigend lang, bis zu vierzehn oder sechzehn Seiten, und sie schrieb fast ausschließlich von sich selbst, ihrem Hund, ihrer Mutter, und ihrer ausgesprochenen leidvollen Kinderzeit. Nein, was sie da alles erduldet hat.
    Die anderen Kinder mochten sie nicht. Was kein Wunder ist, wenn sie damals auch schon so mit den Gefühlen ihrer Mitmenschen umsprang. Ansonsten konnte sie eigentlich nichts dazu anführen. Sie «stellte» derart stark darauf ab, daß ich sofort dachte, daß dies doch wohl nicht ganz «echt» sei.
    Und meist übte sie sich in einer seltsamen Art Humor, in dem sie sich einmal als «Schreckschraube» bezeichnete, eine Seite weiter als herbe Schönheit, die schon mancher angebetet habe, und «ich habe ein ausgesprochen starkes Geltungsbedürfnis!» Ein krankhaftes.
    Und so reagierte sie dann auch ausgesprochen sauer, wenn ich sie einmal nicht genug über den vierblättrigen Klee lobte, denn «ich will jedesmal von Dir hören, wie lieb Du mich hast, und warum!» Das hätte auch der normalste Mann nicht ausgehalten, auf die Dauer.
    Um Weihnachten, war noch alles in bester Liebesordnung («So krank bist Du, ich möchte nur still an Deinem Bett sitzen und Deine Hand halten   …»), und «natürlich bin ich Jungfrau» teilte sie mir mit, obwohl niemand das so genau hatte wissen wollen. Aber dann kam Herr F.   W., ein Reporter einer Zeitschrift für das Leben im Bett, ein Mann, der eine seriösere Arbeitsstätte verdient hätte, und schrieb von der Jungfrau.
    Darauf Yvonne zu mir, brieflich: «So ein Blödsinn! Ich habe mich furchtbar darüber aufgeregt!» Der dumme Jürgen, Intelligenzquotient 112, zog natürlich keine Schlußfolgerung. Dann marschierte sie, empört, wie sie war, von selber zu «QUICK», und zog die große «Show» ab, wie ich mir einmal zu sagen erlauben möchte, aber, obwohl im Detail sicher 100   % korrekt, in einem Stil, der mich das Grausen lehrte.
    Drei- oder viermal hatte sie mich besucht (ja), hatte mich dazu «gebracht», sie zu küssen (ja, ja), aber, ach, eigentlich war sie doch recht enttäuscht, denn Jürgen war blaß, «klein und mager» . (ja, ja und nochmal ja), auch war er so fahrig, so nervös, und versuchte, durch «eine gewisse Überheblichkeit seine Unsicherheit zu verbergen.»
    So weit, so schlecht. Hier im «Bau» fragte man mich nämlich, «Was muß das für ein Mädchen sein, die kann doch nicht normal sein.» Das weiß ich nicht. Aber ich frage mich natürlich, ob die züchtige Hausfrau, die einst über mich dozierte («Jetzt muß er jeden Tag in seiner Zelle onanieren, das gönne ich ihm»), ob sie wohl normal ist? Jedenfalls sollte man nicht so hartherzig sein, und ihr ihre Kerzen nehmen (die ich wohl mit Recht vermute, da über Onanieren sicher nur die Frau schreiben wird, die etwas davon versteht).
    «Fünfzehn Jahre» . (keinen Tag länger?), das wußte

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