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Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Titel: Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Moor
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überlege, ob ich weinen soll. In Köln wird man mir wohl alle Zaubersachen erst mal abnehmen. Da werde ich erst mal wieder lange bitte bitte machen müssen, ehe ich sie wiederkriege. Ich hänge ja so daran.
    Mensch, ich muß schon wieder jammern: Seit vier Tagen hatte ich «Verstopfung» . (eigentlich kein Thema für einen Brief). Nun habe ich heute zwei starke Tabletten dagegen erhalten und bin nun mehr als zufrieden. Ich komme von der Toilette gar nicht mehr runter.
    Viele Grüße von Deinem alten MAN WITH THE MANY EYES («SEER»)
    Jürgen Bartsch134
    ***
     
     
    5000   Köln, den ? April 1972
     
    Lieber alter Cowboy Paule!
    … Heute nachmittag kam ein Neuer in den Raum, gab uns allen die Hand, auch mir, sagte «Tag, Jürgen.» Ich dachte, mich tritt ein Pferd. Noch nie hatte ich ihn gesehen. Wie gesagt, ich wundere mich, wie glatt es bei all dem geht. Ob es auch daran liegt, wie man sich gibt, wie man sich benimmt? Anscheinend doch. Ein einziges Mal nur nämlich hat es eine Art «allgemeine» Reaktion eines Kameraden gegeben, über «solche», die mit «kleinen Mädchen» usw. Na, Du kennst das ja, Rübe ab, usw. Was sich aber offensichtlich nicht gegen mich als Einzelperson richtete, daderselbe Kamerad mir sofort darauf Zigaretten anbot. Was sagst Du dazu? Ich meine, es bestärkt mich nur in meiner Ansicht, daß es auf den einzelnen ankommt. «So einer», in Gemeinschaft auf einem Gefängnishof angesprochen, sich sofort verkriechend, oder ausweichend, hat wohl tatsächlich keine Chance.
    Erst dachte ich, ich dürfte hier bleiben, bis ich eventuell später in eine Anstalt komme, aber das geht wohl nicht. Leider.
    ***
     
     
    Justizvollzugsanstalt
    5000   Köln-Ossendorf
    Ruchusstrasse 350/​Psychiatrie
    13.   4.   72
     
    … Du wolltest mich am 24. hier besuchen. Leider geht das nicht. Der Doktor hat mit mir gesprochen und sagt, daß wir also Ruhe haben müssen, um in Ruhe alles besprechen zu können.
    Hier liege ich in der Psychiatrie, und bin zum erstenmal in völliger Gemeinschaft (!). Wahrscheinlich wird der Arzt mir helfen, daß es später auch so bleibt, solange ich im Gefängnis bleiben muß. Andererseits wäre es ein verheerender Rückschlag. Ich lebe hier richtig etwas auf (schließlich habe ich ja auch Kostvermehrung   …) Morgens und nachmittags beschäftigen wir uns mit Tennis, oder Skat, oder anderen Spielen (oder Zaubern) oder Unterhalten, usw.
    Na, wie findest Du das? Sag mal Deine Meinung Deinem alten, oft an Dich denkenden MINDREADER
    Jürgen Bartsch134 
    ***
     
     
    5000   Köln, den 14.   4.   1972
     
    … Übrigens, warum sollen wir (er zensiert ja sowieso die Post; na ja) nicht einfach über Dr.   Götte sprechen? Wie ich Dich kenne, interessiert es Dich ja doch sehr. Zuerst fand ich ihn ja schrecklich«unnahbar», «kalt» und so. Da habe ich mich wohl etwas zu entschuldigen. Er wird nur nicht so rasch mit seinen Klienten warm, nicht in Minutenschnelle.
    Ich hatte ihn (alter Hase) in Zeit von nichts «klassifiziert» als Superkonservativen, und war todtraurig. Auch war ich natürlich dann überzeugt, daß die Ansichten von Prof.   Dr.   Rasch und Dr.   Götte in Praxis Welten voneinander entfernt seien. Das scheint aber (hat mich verblüfft) gar nicht der Fall zu sein.
    Als dann noch Prof.   Dr.   Dr.   Bresser anrief, und Dr.   Götte mich vor die Tür schickte, war natürlich «alles klar.» Immerhin, mein Verhalten war nicht völlig kindisch. Dr.   Bresser hatte mich, «unmotiviert» als alter Bekannter oder so, in Düsseldorf besucht, und mich gefragt, warum ich nicht das «lebenslänglich» angenommen habe. Anschließend malte er mir, wahr und wahrhaftig, das Bild der «Irrenanstalt» in grausigsten Bildern vor, und machte dann die Zellentür zu. Unser lieber Doktor mag’s ruhig wissen: nicht zuletzt daraufhin bin ich in Düsseldorf sozusagen in Zeitlupe zusammengeklappt.
    Nun, unser Arzt ist, nach einer Woche gesehen, doch recht nett und objektiv. Heute mittag war er kurz bei mir, um meine Fortschritte beim autogenen Training zu überprüfen, und behauptete, tatsächlich, daß ich manchmal doch ein «richtig frecher Lümmel» sei. Das hat mich froh gemacht, denn es bedeutet, daß ich gegenüber Düsseldorf ein ganz anderer Mensch bin. Vielleicht gelöster als je zuvor. Ich behauptete dagegen, daß ich auch manchmal sehr nett sein könne. Ja, sagte er, das stimme, aber wenn ich nur mal immer so und stets so wäre, letztlich wäre ich dann ja auch nicht hier

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