Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders
Dieser Trick, von einem Kind angewendet, hat eine sehr durchschlagende psychologische Wirkung. Meist wird der Täter von seinem Opfer ablassen und alles zu bagatellisieren versuchen.
Wenn ein Kind ganz allein im Hause, besser einer Wohnung, ist, so ist das um nichts weniger gefährlich als etwa in einem Auto oder in einem Wald. Nur zu oft ist es schon vorgekommen, daß ein Kind in der eigenen Wohnung überfallen wurde. Meiner Meinung nach ist gerade in dieser Situation das Opfer extrem gefährdet, da der Täter wahrscheinlich übernervös sein wird, allein schon durch die fast unmittelbare Nähe vieler anderer Menschen in dem betreffenden Hause, entweder Nachbarn, Leute, die die Treppe entlang gehen, usw.
Allerdings sollte man meinen, daß sich ein Sittenstrolch durch derlei Umstände und Gefahren für ihn selbst eventuell von einer Tat abhalten ließe. Das ist aber leider nur in den seltensten Fällenso. Da also wie geschildert, gerade in einem solchen Fall das Opfer aufs höchste gefährdet ist, kann und darf es hier nur eine Lösung geben! Es darf gar nicht erst so weit kommen!
Bitte verbieten Sie Ihrem Kind mit allem Nachdruck, die Haus- bzw. Wohnungstür zu öffnen, wenn es allein ist und jemand läutet, den es nicht kennt. Auf keinen Fall darf das Kind diesen Menschen in die Wohnung lassen. Und erklären Sie Ihrem Töchterchen oder Sohn, daß sie oder er nicht auf jeden billigen Trick hereinfallen darf, der so manchem Sittlichkeitsverbrecher schon die Wohnungstür öffnen half: «Aber Kleine, kennst du mich denn nicht mehr? Ich bin doch dein Onkel Otto, und deine Mutter ist meine Schwester. Sie hat mir auch schon so viel von dir erzählt» usw., usw.
«Verstanden habe ich es ja», werden Sie nun vielleicht sagen, aber «Wie sag ich’s meinem Kinde?» Ich glaube, daß es nicht richtig wäre, einem Kinde diese Verhaltensmaßregeln, die ich auf diesen Seiten beschrieben habe, allzu ungeschminkt zu erklären. Es ist also, so glaube ich, nicht nötig, einem Kinde von Mord und Totschlag zu erzählen. Ich bin kein Fachmann, aber ich vermute doch stark, daß dergleichen einem kleinen Mädchen oder Jungen seelisch mehr als schaden kann. Jedoch halte ich es für unumgänglich, dem Kind begreiflich zu machen, daß ihm, geht es mit solch einem wildfremden Manne mit, schwere körperliche Schäden und auch Schmerzen drohen. (Deutlicher als ich hier sollten auch Sie, wenn es geht, Ihrem Kind gegenüber nicht werden. Mehr würde ein Kind auch wohl nicht verstehen.)
Zum Beispiel als Begründung dafür, warum ein Kind bei aussichtsloser Lage nicht schreien soll, würde ich vorschlagen: «Weil dich dann ja doch niemand hören kann und der böse Mensch viel stärker ist als du und weil er dann noch viel schlechter zu dir sein wird, da er ja wütend auf dich ist. Vielleicht würde er dich sogar ganz schlimm schlagen.» Ihr Kind wird das einsehen. Also bitte nicht die Worte «umbringen» oder «ermorden» erwähnen. Denn wenn es auch für Eltern unbedingt geboten ist, die Kinder gegenüber diesen furchtbaren Gefahren zu wappnen, welche ihnentäglich aufs neue drohen, so braucht und darf man ihnen doch nicht auf diese Weise gleichzeitig ihre Fröhlichkeit und ihre kindliche Liebe zu dieser, Ihrer aller Welt zu nehmen.
Vergessen Sie bitte den Namen dessen, der dies schrieb, denn ich habe hiermit nur das getan, was ich für meine Pflicht halte.
[Von einem Redaktionsmitglied der Zeitschrift
Eltern
hörte ich, daß dieser Artikel Gegenstand einer außerordentlich langen Redaktionssitzung war. Man kam schließlich zu der Entscheidung, den Artikel doch nicht zu veröffentlichen. Diese Entscheidung war vielleicht verständlich: Noch sieben Monate danach hat der
Stern
demoskopisch festgestellt, daß die weibliche Bevölkerung der Bundesrepublik Jürgen Bartsch, mit seiner vergleichsweise bescheidenen Zahl von vier Morden, für den schlimmsten Verbrecher des Jahrhunderts hielt. Die männliche Bevölkerung gab zwar Adolf Hitler den Vorrang, hielt aber Jürgen (an zweiter Stelle) für noch schlimmer als Josef Stalin, Fritz Haarmann, Adolf Eichmann und Heinrich Himmler.]
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[Im Fernsehen vor einigen Jahren erzählte der Journalist Friedhelm Werremeier: «Wenn jemand krank ist, habe er Krebs oder habe er einen Dachschaden, dann steckt man ihn ja allenfalls ins Krankenhaus und nicht ins Gefängnis. Das war der Punkt, wo ich angefangen habe, mich emotional für den Fall Bartsch zu engagieren. Dann kam der Gefängnisgeistliche,
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