Jürgen Klopp: Echte Liebe
Motivation über den Erfolg.«
Der nach außen meist ruhig auftretende Frank zeigte sich zugleich selbstkritisch und zog einen Vergleich zu Klopp: »Mein größtes Problem war über viele Jahre das Verarbeiten von Niederlagen. Ich bin fast gestorben, wenn meine Mannschaften verloren und habe mich allein schuldig gefühlt. Die Angst vor der Niederlage hat mich lange in meinen Entfaltungsmöglichkeiten gebremst. Der Jürgen kann wohl viel schneller abhaken. Vielleicht hilft ihm, dass er durch seine Emotionalität am Spielfeldrand Enttäuschungen schon frühzeitig abreagieren kann.«
Doch es war nicht nur die Einführung der Viererkette, eine Pionierarbeit, die den Spieler Klopp am Trainer Frank so beeindruckte. Es war das Teambuilding: »Da war er herausragend gut.«
»Eine bessere Mannschaft muss
nicht zwingend gewinnen«
Gemäß Wolfgang Franks Schule liegt für Klopp ein erster Ansatzpunkt der Trainingsarbeit im Defensivverhalten. Oder wie es Klopp in seiner ihm eigenen saloppen Art formuliert: »Was machen wir eigentlich, wenn die anderen die Kugel haben? Darum haben wir uns in Deutschland früher nicht gekümmert.« Viel mehr seien offensive Maßnahmen wie das klassische Stürmerkreuzen oder das Hinterlaufen der Abwehr einstudiert worden. Doch gerade einem stabilen Defensivkonzept misst Klopp große Bedeutung bei.
Denn es liegt ein wesentlicher Vorteil darin, zunächst die volle Konzentration auf das Abwehrverhalten zu legen: Verglichen mit dem Angriffsspiel, ist es deutlich weniger abhängig von dem technischen Vermögen der Spieler. »Wenn wir unseren Teamgeist auf den Platz getragen bekommen, wenn sich alle an die Vorgaben halten, dann können wir dem Gegner richtig Probleme bereiten«, begeistert sich Klopp. »Und hierin liegt der Sinn und Zweck der Veranstaltung: Nicht zu zeigen, wie taktisch herausragend wir sind, sondern zunächst mal den Gegner zu schwächen.«
Sicherlich vergrößert es die Wahrscheinlichkeit, Spiele für sich zu entscheiden, wenn ein Team mit vielen Spielern von hoher individueller Klasse gespickt ist. »Der große Unterschied ist aber, dass eine bessere Mannschaft nicht zwingend gewinnen muss. Du musst nicht kicken können, um dich defensiv auf einen Gegner einzustellen« – getreu einem erweiterten Fußball-Motto: Form und System schlagen Klasse. Mit einem konsequenten Abwehrverhalten lasse sich jedem Gegner »maximale Probleme bereiten«, so Klopp. »Das ist ein Teilziel im Fußball.« Und steht zeitlich vor der Entwicklung des eigenen Spiels. Auch als Trainernovize legte Klopp also sofort großen Wert auf taktische Inhalte, beschränkte sich beileibe nicht auf die Motivation seiner Spieler.
Dieser Maxime folgend, arbeitete Klopp bei Amtsübernahme in Mainz 2001 erstmal nur an der Defensivstärkung des stark abstiegsgefährdeten Teams, das am 21. Spieltag kümmerliche zwölf Zähler auf dem Habenkonto vorzuweisen hatte: »Ich habe zunächst nur gegen den Ball arbeiten lassen. Was das Selbstvertrauen angeht, waren sie froh, dass sie den Weg zum Stadion gefunden haben. Wenn ich mit denen über Passgenauigkeit und solche Dinge gesprochen hätte, die hätten mir schön was erzählt …«
Traumeinstand: Sechs Siege in sieben Spielen
Schließlich war Klopp Tage zuvor noch selbst Teil der Mannschaft gewesen und konnte nur allzu gut die angeschlagene Gefühlslage seiner Spieler nachvollziehen. »Mein letztes Spiel als Aktiver hatten wir bei Greuther Fürth mit 1:3 verloren. In der zweiten Halbzeit wurde ich ausgewechselt, nicht weil ich müde war, sondern einfach schlecht – und so war auch das Gefühl in der Mannschaft.« Ohne Überzeugung. Wichtig war die schnelle Wiedergewinnung von Sicherheit, sollte es noch eine vage Chance auf den Klassenerhalt geben.
Unter dem neuen Trainer stellten sich Sicherheit und Erfolg schnell ein, rasend schnell. »Gegen den Ball waren wir innerhalb von einer Woche siebzig Prozent besser«, schaut Klopp selbstbewusst zurück. Die folgenden Ergebnisse bestätigten seine Einschätzung: Von den ersten sieben Spielen gewannen die 05er deren sechs, der Ligaverbleib war keine Utopie mehr. Dass die Art und Weise, wie Mainz seine Spiele gewann, alles andere als filigran ausfiel – wen kümmerte es. Klopp jedenfalls nicht:
»Ich kann mich an unsere ersten drei Tore erinnern, die wurden, was heute ja nicht mehr so gerne gesehen wird, mit langen Bällen nach vorne eingeleitet. Sie wurden dann per Kopfball von Christoph Babatz verlängert, ehe aus der zweiten
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