Julia Ärzte zum Verlieben Band 54
dass ausgerechnet sie in der Plastischen Chirurgie arbeiten würde.
Andererseits war es auch einzusehen, dass sie sich aufgrund ihrer Entstellung zu diesem Fachgebiet hingezogen fühlte. Wenigstens würde sie keine Probleme haben, den um Hilfe suchenden Patienten Mitgefühl entgegenzubringen.
Ein höfliches Hüsteln riss sie aus ihren Gedanken. Herrje! Sie merkte, dass sie kurz vor dem Einnicken gewesen war. Sie sprang auf und stieß dabei ihren halb vollen Kaffeebecher um.
Eine Hand schoss vor und fing den Becher rechtzeitig auf, ehe sich der heiße Kaffee auf den Teppich ergoss. Vor ihr standen Professor Crawford und, mit dem geretteten Becher in der Hand, ein Mann mit blauen Augen und einem dichten schwarzen Haarschopf, der sie mit einem halben Lächeln auf den Lippen betrachtete.
Ihr Herz setzte kurz aus. Dies war mit Abstand der bestaussehende Mann, dem Julie je außerhalb eines Kinofilms begegnet war. Er war groß, bestimmt 1,90 Meter, mit Augen, die wie Diamanten funkelten. Die hohen Wangenknochen und der sinnliche Mund sahen in ihrer Schönheit fast feminin aus, wurden jedoch durch die markante, leicht gebogene Nase ausgeglichen. Er war schlank, aber gut gebaut; seine OP-Hosen saßen tief auf den schmalen Hüften.
Julie merkte, wie ihr Mund trocken wurde. Sie hatte sich noch nie zuvor derartig plötzlich und stark zu einem Mann hingezogen gefühlt. Mühsam unterdrückte sie ein Aufstöhnen. Ihr war plötzlich mit schmerzhafter Klarheit bewusst, dass ihre Arbeitskleidung verknittert war und sie nach zwölf Stunden auf den Beinen wie gerädert aussah.
„Dr. Gordon, ich würde Sie gerne Dr. Pierre Favatier vorstellen, unserem neuen Kollegen in der Plastischen Chirurgie. Er wird die nächsten paar Monate bei uns verbringen.“
Julie streckte ihre Hand wie benommen aus und fühlte sie in seiner verschwinden. Sie blickte hinab. Er hat wirklich sehr schöne Hände, dachte sie, die langen eleganten Finger eines Pianisten oder eines Chirurgen.
„So, das ist also Dr. Gordon“, sagte er mit einer tiefen, ein wenig heiseren Stimme, die sie an lange Nächte in verrauchten Bars denken ließ.
„Ich freue mich, Sie kennenzulernen“, antwortete Julie. Sie merkte, dass sie etwas atemlos klang.
„Die Freude ist ganz meinerseits“, erwiderte er höflich, fügte dann aber hinzu: „Ich hoffe, sie können ein Skalpell besser festhalten als einen Kaffeebecher.“
In seinen Augen konnte sie einen Funken Humor erkennen. Um Gottes willen, merkte er etwa, was für eine Wirkung er auf sie hatte?
„Natürlich. Sie haben mich nur überrascht, das ist alles.“ Sie hatte das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen.
„Nun, da bin ich aber erleichtert“, antwortete er höflich. Trotz des Funkelns in seinen Augen war Julie immer noch unsicher, ob er scherzte oder nicht.
„Soweit ich weiß, werden Sie während meines Aufenthaltes hier meine Mitarbeiterin sein? Professor Crawford hat sich sehr lobend über Sie geäußert.“ Er war Franzose, das konnte sie an seinem leichten Akzent hören.
„Professor Crawford hat recht, wie immer.“ Sie sah ihren Chef dankbar an. „Ich bin eine sehr gute Chirurgin – egal, was ich Ihnen eben für einen ersten Eindruck vermittelt habe.“ Nun, es stimmte. Auch wenn es ihr in anderen Bereichen an Selbstbewusstsein mangelte, in ihren Fertigkeiten in der Chirurgie war dies nicht der Fall.
Auch wenn sie das Risiko einging, arrogant zu wirken, wollte sie diesem Mann klarmachen, dass sie gut war und dass sie es wusste.
Er lachte tief und ehrlich. „Aha, Selbstvertrauen. Das gefällt mir.“ Seine Augen wurden schmal. „Ich kann inkompetente Ärzte nicht ausstehen. Ich habe für solche Kollegen keine Zeit. Sie können bei jemand anderem lernen. Ich verlange Perfektion. Sind Sie perfekt, Dr. Gordon?“
Wieder sah sie in seinen eisblauen Augen eine Herausforderung, obwohl in der Tiefe immer noch eine Spur des Lachens aufglomm. Sie hatte das ungemütliche Gefühl, dass er nicht nur ihre chirurgischen Fähigkeiten meinte.
Julie holte tief Luft und sah ihn kühl an. Sie versuchte, ihren rasenden Puls unter Kontrolle zu bringen. „Ich glaube, dass niemand perfekt ist – ich schon gar nicht.“ Sie zwang sich zu einem Lächeln. „In meiner Arbeit zumindest versuche ich es aber.“
Als sich ihre Blicke begegneten, war es einen Moment lang, als ob niemand anders im Raum wäre. Er betrachtete ihre Lippen, dann die Konturen ihres Gesichtes, ehe er ihr wieder in die Augen sah.
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