Julia Ärzte zum Verlieben Band 54
wusste sie, wie sich ein Tier fühlen musste, wenn es im Angesicht des Jägers verharrte. Brennende Hitze stieg in ihren Wangen auf, und unwillkürlich berührte sie die lange Narbe. Verdammt! Das hatte sie nicht tun wollen.
Er neigte leicht seinen Kopf und sah sie aufmerksam an. Ihr Herz raste nach wie vor, als hätte sie soeben ein Abfahrtsrennen hinter sich gebracht.
Professor Crawford unterbrach die seltsame Stille, die sich im Raum ausgebreitet hatte.
„Ich hätte Julie nicht in Ihre Abteilung versetzt, wenn ich nicht der Meinung wäre, dass sie eine der besten, wenn nicht die beste junge Kollegin ist, die wir im Moment in der Rotation haben“, sagte er freundlich.
„Sie müssen wissen, sie war früher einmal eine meisterhafte Skirennfahrerin“, setzte er stolz hinzu, als ob er persönlich für Julies Erfolge verantwortlich wäre. „Sie hat in allem, was sie tut, den unbedingten Willen, eine Spitzenleistung zu bringen. Keiner arbeitet härter. Sie ist immer im Krankenhaus, und selbst wenn sie frei hat, sehe ich sie zu jeder Uhrzeit in der Bibliothek, wo sie sich weiterbildet. Also, Dr. Favatier, wie ich bereits gesagt habe, Sie können sicher sein, dass die Beste für Sie arbeitet.“
Julie spürte, wie sie noch tiefer errötete. Bis jetzt war ihr nicht bewusst gewesen, dass Professor Crawford so eine hohe Meinung von ihr hatte. Vielleicht machte sich jetzt ja doch die ganze zusätzliche Mühe bezahlt.
Es musste Professor Crawford natürlich nicht interessieren, dass ein absolut ödes Privatleben jede Menge Zeit für Arbeit und Weiterbildung ließ. Verstohlen sah sie den neuen Chirurgen an. Trotz eines Lächelns lag seine Stirn in Falten.
Er schüttelte den Kopf, wie um verwirrende Gedanken zu verscheuchen. „Bon!“ , sagte er. „Dann bin ich zufrieden. Zu viele junge Ärzte haben andere Ablenkungen.“
Julie blickte ihn erstaunt an. Dieser Mann mit seinem guten Aussehen und offensichtlichen Sexappeal erschien ihr als jemand, der sich gerne vielen „Ablenkungen“ hingab, wie er es so merkwürdig ausgedrückt hatte.
Pierre fing ihren Blick auf und zwinkerte ihr zu. Diese Geste war so überraschend, dass Julie glaubte, sie sich eingebildet zu haben. Er war schließlich ihr neuer Boss! Wie auch immer, ihr wurde noch heißer, wenn das überhaupt möglich war, und sie wünschte, sie hätte sich rasch duschen und umziehen können, ehe Professor Crawford sie abgefangen hatte. Aber was macht es denn eigentlich für einen Unterschied, was Dr. Favatier von meinem Äußeren hält? fragte sie sich ungeduldig.
Ein Mann von seinem Kaliber war kaum der Typ, der ihr Beachtung schenken würde, selbst wenn sie sich ganz groß in Schale geworfen hätte. Sie musste trotzdem den Impuls bekämpfen, ihren Pferdeschwanz zu lösen und die Haare über ihr Gesicht und die Narbe fallen zu lassen.
Professor Crawford wandte sich Julie zu. „Sie haben großes Glück, mit Dr. Favatier arbeiten zu können. Er gilt in seiner Heimat als ein Pionier der rekonstruktiven plastischen Chirurgie. Ein Segen, dass er für die nächsten Monate hier bei uns ist. Wir müssen die Zeit gut nutzen – und ich weiß, dass Sie das bestimmt tun werden – und von ihm so viel wie möglich lernen.“
„Natürlich“, antwortete Julie, wobei sie im Geiste schon die ganzen zusätzlichen Fachbücher vor sich sah, die sie wälzen musste, um gut vorbereitet zu sein. „Vielen Dank, Herr Professor. Auch ich freue mich sehr über die Gelegenheit, mit Ihnen zusammenzuarbeiten, Dr. Favatier.“
„Also, Pierre, ich glaube, wir lassen Dr. Gordon jetzt lieber mal nach Hause, damit sie sich ihren wohlverdienten Schlaf holen kann. Ich habe da im OP einen Fall, den ich gerne mit dir besprechen möchte.“
Pierre warf Julie noch einmal einen prüfenden Blick zu, ehe er sich vom Professor aus dem Raum geleiten ließ.
„Ruhen Sie sich aus, Julie, wir sehen uns ja schon bald wieder“, rief ihr der Chef über die Schulter noch zu.
Als die beiden Männer fort waren, ließ sich Julie wieder in ihren Sessel fallen. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund fühlte sie sich, als sei sie gerade von einem Wirbelsturm durchgeschüttelt worden. Einem Wirbelsturm, der erst nachließ, als ihr neuer Boss den Raum verlassen hatte.
Er war ein Traumtyp. Daran gab es keinen Zweifel. Aber leider musste sie sich eingestehen, dass Traumtypen in ihrem Leben keinen Platz hatten, oder besser gesagt, dass sie im Leben eines Traumtypen nichts zu suchen hatte.
Also hatte es sie
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