Julia Ärzte zum Verlieben Band 54
wir irgendwo einen Drink auftreiben können.“
Julie warf Pierre einen Blick zu. Sie sah, wie der Ärger in ihm hochstieg.
„Schön, dass du wieder mit uns redest“, sagte er säuerlich. „Um einen Drink sollten wir uns vielleicht eher keine Sorgen machen. Wir essen etwas, und dann ist es auch Zeit, ins Bett zu gehen.“
Hinter seinem Rücken streckte Caroline ihrem Onkel die Zunge heraus. Julie musste sich ein Kichern verkneifen. Er hatte wirklich etwas oberlehrerhaft geklungen.
Warum müssen die beiden sich immer wieder provozieren? fragte sie sich. Man hat das Gefühl, er kann ihre Gegenwart nicht ertragen – und wenn ich das schon spüre, dann sie erst recht.
„Es ist Freitagabend und ich bin fast achtzehn, Pierre“, gab Caroline zurück. „Hör doch endlich auf, mich wie ein kleines Kind zu behandeln! Bald kann ich sowieso alles allein entscheiden.“
„Aber noch bist du nicht achtzehn“, antwortete Pierre leise. „Und bis dahin war es der Wunsch deiner Eltern, dass ich auf dich aufpasse. Und das werde ich auch tun.“
„Weißt du, dass Pierre das Erbe meines Vaters gestohlen hat?“, brach es aus der jungen Frau hervor.
Pierres Gesichtsausdruck war zum Fürchten. „Du weißt ganz genau, dass das nicht stimmt“, wies er seine Nichte zurecht. „Ich glaube auch nicht, dass sich Julie für unsere Familiengeschichte interessiert.“
Julie sah betreten aus dem Seitenfenster. Was war zwischen diesen beiden bloß los? Instinktiv wusste sie, dass Pierre kein Mann war, der sich nahm, was ihm nicht zustand. Zumindest materielle Dinge. Bei Frauen war sie sich nicht mehr so sicher.
Aber es stimmte, es ging sie wirklich nichts an.
Die ungemütliche Stille endete, als sie wenig später ihre Unterkunft erreichten. Sie waren kaum aus dem Auto ausgestiegen, als sie schon von Mrs Fletcher, ihrer Wirtin, empfangen wurden.
„Herein, herein!“, rief sie und winkte mit beiden Händen. „Es ist bitterkalt!“
Julie begrüßte die rundliche Frau, die wie immer voller Lebensfreude und Neugier war. „Trish, es ist so schön, dich wiederzusehen!“
„Und dich erst, meine Kleine“, antwortete Trish, „und natürlich deine beiden … Gäste!“ Sie zwinkerte Julie verschwörerisch zu.
Zum Glück hat Pierre das nicht gesehen, dachte Julie bei sich.
Trish schob sie alle vor sich her in das gemütliche Wohnzimmer, wo der Kamin eine wohlige Wärme verbreitete. Der Esstisch bog sich unter mehreren Platten mit belegten Broten, getrocknetem Fisch, Früchten und Kuchen.
Pierres Augen leuchteten bei dem Anblick. Die unerfreulichen Streitereien der Fahrt waren schnell vergessen.
Während Trish wie ein Wasserfall auf die kleine Gruppe einredete, ließen die drei es sich schmecken. Allen war bewusst, dass sie sich für den kommenden Tag gut stärken mussten.
Trish hatte ihnen drei Zimmer zurechtgemacht, und Julie war froh, als sie ihre Tür hinter sich schließen konnte. Sie sank in das weiche Federbett. Warum habe ich immer das Gefühl, zwischen den beiden vermitteln zu müssen? Sie sind doch beide erwachsen!
Trotz dieser Gedanken verspürte sie in sich so etwas wie Freude. Es lag nicht nur am guten Essen und der vertrauten Umgebung. Die Gegenwart von Pierre und Caroline machte es fast zu einem Familienausflug, und das hatte sie sehr lange nicht erlebt.
Nein, das sind Tagträume! wies sie sich zurecht. Ich bin aus einem anderen Grund hier. Und wenn nicht etwas Unvorhergesehenes passiert, kann das ein anstrengendes Wochenende werden, dachte sie noch, ehe sie in einen tiefen, traumlosen Schlaf sank.
Am nächsten Morgen standen sie nach einem ausgiebigen Frühstück bereits um kurz vor neun Uhr am Lift. Es hatte in der Nacht ordentlich geschneit, aber jetzt war der Himmel strahlend blau. Ein perfekter Tag für die Piste, dachte Julie. Ganz im Westen sah sie ein paar dunkle Wolken, doch das würde ihren Tag nicht gefährden.
Wie geplant machten sich Caroline und Julie für ein paar Privatlektionen auf den Weg zu den leichteren Abfahrten, während Pierre die weiter oben gelegenen Pisten erkunden wollte.
Nach dem Mittagessen wollten sie versuchen, Caroline gemeinsam auf den leichteren roten Pisten zu begleiten.
„Keine Chance, würde ich sagen!“, hatte die junge Frau ausgerufen. „Wenn ich mich genauso schlau anstelle wie letztes Mal, verbringe ich den ganzen Tag auf dem Idiotenhügel!“
„Warten wir es ab“, hatte Julie sie beruhigt. „Keine Angst, du musst nirgendwo herunter, wenn du es nicht
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