Julia Aerzte zum Verlieben Band 60
Wange.
Er hatte sie angeschaut, kurz genickt und sich dann umgedreht und das Haus verlassen.
Gern hätte sie gewusst, was er in diesem Moment dachte. Der Kuss war ein spontaner Ausdruck ihrer Dankbarkeit gewesen. Zu oft schon hatte sie während ihrer Vertretungsjobs in lieblos eingerichteten Zimmern gewohnt. Dieses Haus hier war verglichen damit purer Luxus. Auch wenn Edward sie wegen ihrer Kleidung zurechtgewiesen hatte, gab er sich trotzdem Mühe, sie willkommen zu heißen.
„Oh ja, Hannah. Es ist ein guter Mann aus ihm geworden“, sagte Honey noch einmal. Dann trat sie hinaus in den strahlenden Morgen. Voller Vorfreude auf den Tag begann sie zu singen.
Als er erwachte, glaubte Edward, von irgendwoher Gesang zu hören. Er schaute auf den Wecker. Es war kurz nach sechs.
War Hamilton etwa ungewohnt früh aufgestanden und hatte das Radio in der Küche eingeschaltet?
Nach ein paar Minuten rieb Edward sich die Augen, stand auf und streckte sich. Er zog ein Paar Jeans an, ging hinunter in die Küche und schaltete die Kaffeemaschine an. Dann zog er die Jalousien vor dem Fenster auf und blinzelte in den Sonnenschein. Im Haus war es still, aber der Gesang war noch immer zu hören. Er kam von draußen.
Er schaute zum Nebenhaus. Honeysuckle. Zweifellos sang dort draußen diese verrückte, überwältigende und sehr verwirrende Frau, die er erst seit vierundzwanzig Stunden kannte, obwohl es sich anfühlte, als wären es schon Jahre.
Er schenkte sich einen Becher Kaffee ein und trat dann hinaus in den Hinterhof. Es war noch frisch, und wahrscheinlich hätte er sich ein T-Shirt überziehen sollen, aber seine Neugier war zu groß. Als er ums Haus ging, wurde der Gesang lauter.
Honey stand barfuß im Gras des kleinen Gartens, umgeben von Blumen und Bäumen. Sie hatte das Gesicht der Morgensonne zugewandt und die Augen geschlossen.
Edward ließ den Blick über das dünne Top und die mit Herzen geschmückte Pyjamahose wandern, die sie trug. Ihr langes Haar war noch zerzaust und notdürftig mit einem Haarband zusammengehalten.
Während er sie beobachtete, beendete Honey ihren Morgengesang mit einem tiefen Seufzer. Gleich darauf begannen die Vögel zu zwitschern, als würden sie ihr applaudieren. Sie lächelte breit, und Edward wünschte sich sehnlichst, die gleiche Lebensfreude zu spüren wie sie.
„Das klang sehr schön“, sagte er, noch bevor sie ihn bemerkt hatte.
„Oh. Hallo, ich … Ich wollte Sie nicht wecken.“ Sie begann zu stottern, als sie ihn genauer ansah. Natürlich hatte sie schon oft genug einen Mann mit nacktem Oberkörper gesehen, aber das hier war anders. Das war Edward . Der Mann, den sie nicht aus dem Kopf bekam.
Honeys Herz vollführte einen kleinen Galopp, und sie spürte, dass sie errötete. Herrje, sie war doch keine fünfzehn mehr. Sie musste sich wirklich zusammenreißen.
„Es ist so ein schöner Morgen, da hatte ich einfach Lust zu singen.“ Sie zuckte die Achseln.
Edward trank einen Schluck Kaffee. Ihre Reaktion auf seinen Anblick hatte ihn innerlich befriedigt.
Als er nichts weiter sagte, wandte Honey ihre Aufmerksamkeit schnell den Blumen zu. Dann ging sie zur Bank mit der Inschrift und strich mit dem Finger über die eingravierten Worte. „Vermissen Sie sie noch immer?“
„Jeden Tag.“
Sie drehte sich zu ihm um. „Ich kann mir nicht vorstellen, wie das gewesen sein muss, sie beide am selben Tag zu verlieren. Und so plötzlich. Es wundert mich nicht, dass Sie auf der Suche nach Frieden sind.“
„Wer sagt denn, dass ich das bin? Peter? Oder Lorelai?“
Verwundert hob Honey die Augenbrauen. „Keiner von beiden.“
„Wie kommen Sie dann darauf?“, fragte Edward sichtlich aufgewühlt.
„Na ja, zum Beispiel weil Sie jetzt so durchdrehen?“ Sie lächelte sanft.
„Ich drehe doch nicht …“ Edward hielt inne und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare.
„Sie haben nie wirklich Zeit zum Trauern gefunden“, sagte Honey mit sanfter Stimme. „Sie mussten ja sofort in Ihre neue Rolle schlüpfen und die Familie zusammenhalten. Haben Sie in den letzten Jahren eigentlich auch mal Urlaub gemacht?“
„Natürlich“, erwiderte er. „Ich war mit Ben und Hamilton im Urlaub – Wandern oder Kajakfahren. Im Winter gehen wir Ski laufen. Wir unternehmen viel.“
„Schön, das macht sicher Spaß und baut Stress ab“, sagte Honey. „Aber nehmen Sie sich auch mal Zeit nur für sich, ohne Ihre Brüder? Warum machen Sie das nicht jetzt, nur für ein paar Tage?“
„Das
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