Julia Aerzte zum Verlieben Band 60
stritten.
Es war nicht ihre Art, Gespräche einfach zu belauschen, aber noch weniger konnte sie lautstarke Auseinandersetzungen ertragen, ohne einzugreifen.
Sie öffnete die Tür ihres Häuschens und konnte aus dem geöffneten Küchenfenster des Wohnhauses jetzt Hamiltons Stimme deutlich hören: „Ich verstehe nicht, warum ich die Schule überhaupt beenden soll. Die Talentscouts haben mir gesagt, dass ich beste Chancen auf einen Vertrag habe.“
„Auf gar keinen Fall wirst du deine Ausbildung einfach wegwerfen, um Football zu spielen“, rief Edward.
Honey durchquerte entschlossen den kleinen Garten, klopfte energisch an die Tür des Wohnhauses, dann öffnete sie und fand sich zu ihrer Überraschung direkt in der Küche wieder. Ein großer Holztisch mit acht Stühlen bildete das Zentrum des Raumes.
Sie streckte den leeren Becher aus, den sie aus ihrer eigenen Küche mitgebracht hatte. „Hallo, ich bin’s nur. Mir ist der Zucker ausgegangen, könnt ihr vielleicht aushelfen?“
Die beiden Männer starrten sie an. Die Stimmung war sichtlich angespannt. Beide hatten erhitzte Wangen und wirkten aufgebracht. Edward verschränkte die Arme vor der Brust und erinnerte Honey damit prompt an ihre erste Begegnung.
„Sagt mir einfach, wo ich ihn finde, dann bin ich gleich wieder weg. Ich höre euch gar nicht zu.“ Honey ging auf einen der Küchenschränke zu. „Hier?“
Hamilton trat einen Schritt auf sie zu. „Honey, Sie können Schiedsrichterin für uns spielen.“
„Auf keinen Fall. Du lässt sie da raus“, sagte Edward sofort.
„Du hörst mir nie zu. Immer behandelst du mich wie ein Kind“, schrie Hamilton und stürmte aufgebracht aus der Küche.
„Du benimmst dich auch so“, rief Edward ihm hinterher. Dann ließ er sich am Tisch nieder und vergrub den Kopf in den Händen. Honey trat zu ihm.
Sie legte ihm die Hände auf die Schultern. „Entspannen Sie sich etwas.“
„Ha. Als ob ich das könnte, solange er in der Nähe ist“, sagte er. Aber Honey spürte, dass Edwards Schultern unter ihren Händen etwas lockerer wurden. „Er ist so stur … Und wenn Sie jetzt sagen, dass er das wohl von mir hat, können Sie gleich wieder gehen.“
Honey musste grinsen.
„Natürlich sind wir uns ähnlich.“ Während Edward sprach, begann sie langsam seine Schultern zu massieren. „Aber genau deswegen weiß ich auch, dass er so viel mehr aus seinem Leben machen könnte als über ein Spielfeld zu rennen.“
„Sicher, eine Schulausbildung sollte man nicht so einfach wegwerfen.“ Honey sprach mit ruhiger, sanfter Stimme. „Andererseits … Wie oft kommen Talentscouts an Schulen, die weit ab von den großen Städten liegen?“
„Ja, natürlich.“ Edward schloss die Augen und spürte, wie die Anspannung der letzten Stunden langsam aus seinem Körper wich. „Aber …“
„Es wird alles in Ordnung kommen, glauben Sie mir. Und zwar ohne, dass Sie aufeinander einschreien“, fuhr Honey fort. „Sie machen das alles toll, Edward. Atmen Sie tief ein und aus.“
Während der nächsten Minuten herrschte Schweigen.
„Was machen Sie da?“ Hamilton stand in der Tür und schaute Honey an.
„Ich massiere deinen Bruder. Er ist ganz schön angespannt“, antwortete sie lächelnd. „Komm doch rein.“
Hamilton setzte sich an den Tisch, und kurz darauf nahm Honey zwischen den beiden Brüdern Platz. „Also gut, reden wir jetzt? Hamilton, du solltest anfangen.“
Edward setzte an, um etwas zu sagen. Aber Honey legte ihre Hand auf seine. „Und Edward wird dir zuhören.“
Und dann redeten die beiden Brüder tatsächlich miteinander, manchmal unterbrochen von Honey, die mit ruhiger Stimme eine Frage stellte. Am Ende kamen sie zu dem Ergebnis, dass ein Familienrat einberufen werden würde, falls Hamilton tatsächlich ein Angebot der Scouts erhielt. Gemeinsam mit den anderen Brüdern würde dann eine Entscheidung getroffen werden. Im Gegenzug versprach Hamilton, sich bis dahin voll auf die Schule zu konzentrieren.
„Sie sind sehr gut darin“, sagte Edward, nachdem Hamilton ins Bett gegangen war. „Haben Sie auch eine Mediatorenausbildung?“
„Nein.“ Honey lächelte. „In meiner Familie musste mein jüngerer Bruder zwischen mir und meinen Eltern vermitteln.“
„Wirklich? Das kann ich mir gar nicht vorstellen.“
„Oh, doch. So, und jetzt müssen Sie mich entschuldigen. Ich will noch ein wenig lesen. Außerdem muss ich noch einen Ausflug planen.“
„Unseren Ausflug etwa?“, fragte Edward. „Wie
Weitere Kostenlose Bücher