Julia Bestseller Band 144
deine Mutter ausfindig zu machen?“
„Nein. Sie wusste genau, was sie mir antat, als sie mich bei ihrem Vater ließ. Es war das, wovor sie davongelaufen war.“
Beth schüttelte den Kopf. „Ich begreife nicht, wie sie das tun konnte.“
„Aus Rachsucht. Jorgen hat sie immer spüren lassen, dass er eigentlich einen Sohn hatte haben wollen. Also setzte sie ihm einen vor die Tür.“ Jim zuckte die Schultern. „Wenn sie Drogen nahm, war sie vermutlich nicht mehr richtig im Kopf.“
„Ja, vermutlich.“ Trotzdem war es in Beths Augen unverzeihlich, das eigene Kind einem verbitterten alten Tyrannen wie Jorgen Neilson zu überlassen. Andererseits, wenn es nicht so geschehen wäre, hätten sie und Jim sich vielleicht nie kennengelernt. „Hast du das Land verkauft?“
„Nein. Ich wollte es nicht anrühren. Ich wollte, dass es verfällt, bis nichts mehr davon übrig ist.“
Staub zu Staub, dachte Beth.
„Diese Woche ist mir endlich bewusst geworden, dass ich immer noch daran festhielt, anstatt es loszulassen. Deshalb habe ich es verschenkt.“
Sie sah ihn überrascht an. „An wen?“
Ein zufriedenes Lächeln huschte über sein Gesicht. „An eine Organisation, die Kinder von der Straße holt und ihnen hilft, wieder Fuß zu fassen.“
„Oh Jim! Was für eine wunderbare Idee!“, freute sich Beth. Auf diese Weise ließ er nicht nur die schlechten Erinnerungen endlich los, sondern verkehrte das, was dieser Ort einmal für ihn gewesen war, ins Gute.
„Ich habe mich auch von dem Brett-Whitely-Gemälde getrennt. Claud soll es für mich verkaufen.“
„Warum?“, fragte Beth erstaunt, aber froh. Sie hatte sich nie vorstellen können, mit diesem Bild zu leben.
„Es gefiel dir nicht.“
Beth konnte das nicht leugnen. „Es strahlte so viel Schmerz aus …“
„Nun, es passte ganz gut zu meinen wilderen Stimmungen.“ Jim lächelte sie an. „Du besänftigst die Bestie in mir.“
Beth lachte und meinte neckend: „Ich habe gar nichts dagegen, wenn du manchmal ein bisschen wild bist!“
Dunkle Augen leuchteten vielsagend auf. „Wenn Sam jetzt nicht bei uns wäre, wäre ich ernsthaft versucht, dich beim Wort zu nehmen …“
Sam, der seinen Namen gehört hatte, tapste sofort herbei und wuselte bellend um ihre Beine herum. Ja, in seiner Gegenwart wäre ihr Liebesspiel ganz gewiss nicht ungestört geblieben. Da war es besser zu warten, bis sie allein waren. Der Abend war ja nicht mehr fern.
Dieser Spaziergang zur alten Farm von Jorgen Neilson war gut, um endlich die Bürde der Vergangenheit abzustreifen. Dennoch spürte Beth bei Jim eine zunehmende innere Anspannung, als sie sich dem Begrenzungszaun des Ortes näherten, der einst das Gefängnis seiner Kindheit und Jugend gewesen war. Vorsätze waren ja im Prinzip etwas sehr Gutes, aber es war doch nicht so einfach, sich schmerzlichen Erinnerungen zu stellen.
Sie erreichten die Stelle am Zaun, wo sie sich immer voneinander verabschiedet hatten. Beth war auf Jorgens Farm nicht willkommen gewesen. Der Alte hatte niemanden gern geduldet. Jim ließ ihre Hand los. Beth zögerte, weil sie nicht wusste, ob er wollte, dass sie mitkam.
Doch Jim stieg nicht durch den Zaun, sondern lehnte sich mit den Armen auf den obersten Balken und betrachtete nachdenklich den Ort seines früheren Elends. Beth ging zu ihm und blieb schweigend an seiner Seite.
In der hereinbrechenden Dämmerung wirkte das Anwesen verlassen und verwahrlost. Vom Farmhaus war nur die rauchgeschwärzte Ruine des Kamins übrig geblieben, Kuhstall und Scheune waren verfallen und verrottet, Dächer und Wände teilweise eingestürzt. Die Felder, auf denen Jamie geschuftet hatte, waren von Disteln und Unkraut überwuchert, alte Maschinen und Arbeitsgeräte rosteten auf dem Hof vor sich hin.
„Nachdem du nach Melbourne umgezogen warst, habe ich mich nachts oft hierhergeschlichen, sobald Jorgen schlief“, sagte Jim leise. „Es gab mir das Gefühl, dir nahe zu sein.“
So einsam, von aller Liebe verlassen. Beth trat hinter ihn, legte die Arme um seine Taille und lehnte den Kopf gegen seine Schulter. „Es tut mir so leid, dass du meine Briefe nicht bekommen hast.“
„In gewisser Hinsicht war es besser so, Beth. Ich wollte gar nichts über dein Leben ohne mich wissen. Ich stand hier, durchlebte in meiner Erinnerung das, was wir miteinander geteilt hatten, und träumte von einer Zukunft, in der wir wieder zusammen sein würden. Auf diese Weise gehörtest du immer noch mir.“
Immer noch ihm. Bis er
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