JULIA COLLECTION Band 07
sexy, und dass sie sich dessen nicht bewusst war, verstärkte die Wirkung noch.
Er fand zwei hohe Gläser im Küchenschrank und öffnete den kleinen Kühlschrank, in dem sich Orangensaft, Milch und eine Cola befanden. Er goss Orangensaft in die beiden Gläser und trug sie ins Wohnzimmer. Als er sie abstellte, fielen ihm erneut die Fotos im Regal auf. Er trat näher, um sie genauer betrachten zu können.
Eines zeigte eine viel jüngere Elizabeth. Ihre roten Haare verrieten, dass sie es war, obwohl sie auf dem Foto lange dünne Zöpfe und eine Zahnspange hatte. Gabe grinste und fand sie seltsamerweise süß. Eine ältere Frau mit ähnlicher Haarfarbe, aber eleganter Kurzhaarfrisur, lächelte in die Kamera, während sie Elizabeth an sich drückte. Das muss ihre Mutter sein, dachte Gabe, und Traurigkeit stieg in ihm auf. Kein Kind sollte in so jungen Jahren seine Mutter verlieren.
Das andere Foto zeigte ihren Vater, der auf einem schwarzen Stuhl saß. Elizabeth stand dahinter. Eine ihrer hellen Hände lag auf seiner Schulter; keiner von beiden lächelte. Ihr Vater sah müde, aber freundlich aus, und Elizabeths Miene verriet liebenswürdige Nachsicht, als würde sie sich nur ungern so fotografieren lassen. Auf diesem Bild war sie älter, wahrscheinlich siebzehn. Ihr jetziges Aussehen ließ sich allmählich erkennen, auch wenn die Sommersprossen noch deutlicher waren, die Augen größer, das Kinn zu störrisch. Die Jahre hatten ihre Züge sanfter und weiblicher gemacht.
Als Gabe die gerahmte Fotografie wieder ins Regal zurückstellte, fiel ihm ein Album auf. Neugierig und in der Annahme, weitere Fotos von ihr und ihrem Leben zu finden, nahm er es mit zum Sofa und machte es sich bequem. Eine gefaltete Kopie ihrer Kursnoten fiel heraus. Wie er schon vermutet hatte, war Elizabeth eine ausgezeichnete Studentin mit guten Noten in fast allen Fächern. Schon jetzt hatte sie als Kursbeste eine Anerkennung vom Dekan erhalten. Gabe schüttelte den Kopf und fragte sich, wie jemand das Leben so ernst nehmen konnte. Dann schlug er das Album auf.
Was er darin entdeckte, schockierte ihn zutiefst.
Es waren zahlreiche Artikel, die sich alle mit dem Tod ihrer Mutter beschäftigten. Offenbar stammten sie von Kleinstadtzeitungen. Er konnte ein Lied davon singen, nach dem Wirbel, den die Zeitungen um seine Rettungsaktion gemacht hatten.
Nur, dass diese Artikel hier nicht sehr schmeichelhaft waren. Während er mit einem Ohr lauschte, ob Elizabeth zurückkam, begann er zu lesen.
Hilfe kam zu spät
Eleanor Parks starb Samstagabend in ihrem Wagen, nach dem sie von einem Sattelschlepper von der Straße ge drängt worden war. Der Wagen, der sich überschlagen hatte, war von der Straße aus nicht zu sehen, aber obwohl Elizabeth Parks ohne schwere Verletzungen entkam, hin derte der Schock sie daran, Hilfe zu holen. Die Ärzte ver muten, dass Mrs. Parks möglicherweise überlebt hätte, wenn rechtzeitig Hilfe eingetroffen wäre.
Entsetzt las Gabe Schlagzeile um Schlagzeile. Mit jedem Wort zog sich sein Herz mehr zusammen. Er konnte nur ahnen, was für Qualen Elizabeth durchgemacht hatte.
Die Schlagzeilen lauteten:
Tochter reagiert zu langsam – Mutter stirbt.
Unnötiger Tod – Schocktrauma
Tochter vor Kummer verzweifelt – Einweisung
ins Krankenhaus.
Vater nimmt Tochter in Zeiten des Leids in Schutz.
Wie musste es für eine Zwölfjährige gewesen sein, zu wissen, dass sie am Tod der eigenen Mutter schuld war? Sie hatte nicht nur den Menschen verloren, der ihr wahrscheinlich am nächsten stand, sondern war von unsensiblen Reportern und Ärzten dafür verantwortlich gemacht worden.
Vorsichtig legte Gabe das Album wieder unter die Fotos. Dann schob er die Hände in die Taschen und ging im Zimmer auf und ab. Das trieb Elizabeth also dazu, über Helden zu recherchieren. Er schüttelte den Kopf. Wie konnte eine intelligente Frau ihre Reaktionen als Zwölfjährige mit denen eines erwachsenen Mannes vergleichen? Das war lächerlich. Er wollte sie schütteln und zugleich beschützend in den Arm nehmen.
Als er hörte, wie Elizabeths Schlafzimmertür aufging, trat er von den Regalen zurück und drehte sich aufgewühlt zu ihr um.
Elizabeth trug jetzt einen weichen, hellblauen Frotteebademantel und sah ihn erstaunt an. „Gabe? Was ist los?“
Seine Kehle war wie zugeschnürt, sodass er kaum schlucken konnte, geschweige denn sprechen. Zärtlich umrahmte er ihr Gesicht mit den Händen und küsste sie. Er hatte etwas sagen wollen, um sie zu
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