JULIA COLLECTION Band 10
wohl ein Recht zu erfahren, warum Sie mir auf derart unhöfliche Weise die kalte Schulter zeigen!“
„Sie reden von Recht?“, stieß Charmaine hervor und sprang auf, wobei sich eine Wut Bahn brach, die sie seit Jahren unter Verschluss gehalten hatte. „Was mich betrifft, stehen Ihnen überhaupt keine Rechte zu. Sie haben mich eingeladen, und ich habe abgelehnt. Sie haben mich noch einmal gefragt, obwohl ich ziemlich unmissverständlich klargemacht habe, dass ich nicht an Ihnen interessiert bin. Wenn ich dann deutlich werden muss, weil Sie einfach nicht lockerlassen, finde ich das nicht unhöflich. Es ist mein Recht, mich nicht von einem verwöhnten und arroganten Mann belästigen zu lassen, nur weil er selten ein Nein zu hören bekommt. Aber meine Antwort wird immer negativ ausfallen, Prinz Ali. Und merken Sie sich das gut, denn wenn Sie mich weiter belästigen, zeige ich Sie an!“
Charmaine machte auf dem Absatz kehrt und verließ eilends die Zuschauertribüne. Beinah erwartete sie, dass er ihr folgen würde, aber leider tat er es nicht. Hätte er es gewagt, ihre Schulter zu berühren, hätte sie ihn geohrfeigt. Sie umklammerte den Griff ihrer Handtasche, sodass die Knöchel weiß hervortraten. Liebend gern hätte sie diesem arroganten Mistkerl gezeigt, was sie von ihm hielt. Worte allein waren bei Weitem nicht genug, um ihrer Wut Ausdruck zu verleihen. Am Wagen angekommen, zitterte Charmaine immer noch vor Aufregung.
Doch als sie sich hinters Steuer setzte und den Motor anließ, hatte sie plötzlich des Scheichs völlig erstauntes Gesicht vor Augen und stöhnte auf. Diesmal war sie zu weit gegangen – viel zu weit. Normalerweise formulierte sie ihre Abfuhren diplomatischer. Aber irgendetwas an dem Mann hatte sie einfach auf die Palme gebracht. Was, konnte sie nicht sagen. Wahrscheinlich war er zu attraktiv, als dass man ihm hätte widerstehen können. Allein diese Augen!
Sie fuhr aus der Parklücke. Hör auf, an den Kerl zu denken! befahl sie sich dann. Und vor allem hör auf, Schuldgefühle zu haben! Männer wie er empfinden nicht wie normale Menschen. Es hat ihn heute nur für einen kurzen Augenblick nach dir verlangt, aber heute Abend wird er weder allein zum Essen noch allein ins Bett gehen. Um sein Wohlergehen kümmern sich viele Leute. Und irgendeine Frau wird schon dumm genug sein, sein Ego und seine Wünsche zu befriedi gen. Da brauchte sich Charmaine keine Sorgen zu machen und konnte getrost aufhören, an ihn zu denken.
Aber das tat sie nicht, sondern beschäftigte sich noch die ganze folgende Woche mit ihm. Das waren, wie sie annahm, ihre Schuldgefühle. Normalerweise wurde sie nie so deutlich, sondern behielt ihre Meinung für sich. Deshalb war es geradezu beunruhigend, wie sie den Scheich behandelt hatte. Doch am Wochenende verschwendete sie dann keinen Gedanken mehr an ihn. Schließlich befand sie sich auf einer Mission, die ihr keine Zeit für Männer wie Prinz Ali ließ. Mit solchen Typen hatte sie schon vor Jahren abgeschlossen und erst vor Kurzem auch den netteren für immer den Rücken gekehrt.
Die Presseleute wären sicher erstaunt zu hören, dass sie als Supermodel von „Down under“, das schon von so manchem Hochglanzmagazin zur attraktivsten Frau des Landes gekürt worden war, inzwischen sozusagen enthaltsam lebte. Sie wollte auch keinen Freund und ganz bestimmt keinen reichen Liebhaber mehr haben. Allein bei dem Gedanken lief es ihr eiskalt den Rücken hinunter. Natürlich wäre die Neuigkeit von ihrem neuen nonnenhaften Dasein schlecht fürs Geschäft. Dem Begehren der Männer nachzugeben war Teil ihres Images. Deshalb zeigte sie sich anlässlich von Premieren und Partys auch weiterhin in Begleitung junger, gut aussehender Männer, die allerdings ihr eigenes kleines Geheimnis hatten. Sie waren schwul. So wurde Charmaine nach der Veranstaltung nicht belästigt, aber ihr Image blieb gewahrt. Und das bescherte ihr auch weiterhin hoch dotierte Modelaufträge für Dessous und Bademoden.
In der Vergangenheit hatte ihr das Millionen eingebracht, und wenn sie ihr sexy Image aufrechterhielt, würde das Geld auch in Zukunft fließen. Allein darauf kam es an. Sie brauchte Abermillionen, um die von ihr gegründete Kinderkrebshilfe-Stiftung zu finanzieren, die den Betroffenen das Leben ein wenig erleichterte und die Forschung unterstützte.
Manchmal, wenn Charmaine so darüber nachdachte, verzweifelte sie fast an der Aufgabe, die sie sich gestellt hatte. Bin ich wirklich in der Lage,
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