JULIA COLLECTION Band 10
niemand in der Loge, nicht einmal der Bodyguard mit dem maskenhaft starren Gesicht, der sich sonst immer in unmittelbarer Nähe aufhielt. Bestimmt hatte er schon oft eine derartige Situation erlebt und wusste, dass er sich rarmachen musste, wenn sein Boss mit einer Frau plauderte, auf die er aufmerksam geworden war.
„Ich habe schon ganz ungeduldig auf Ihre Rückkehr gewartet, meine Gnädigste“, sagte der Prinz nun so gestelzt, wie man es nur auf einer englischen Privatschule lernte. „Sind Sie für heute mit der Sichtung der Damen fertig?“
„Ja, glücklicherweise. Es ist unheimlich schwierig, bei so vielen perfekt gekleideten Frauen die Gewinnerin zu ermitteln.“
„Wäre ich Preisrichter, würde es für mich nur eine geben: Sie.“
Bitte nicht, dachte Charmaine genervt. Spar dir dein Süß holzgeraspel für eine, die sich davon beeindrucken lässt. Aber sie gab ihrer Verärgerung keinen Ausdruck, sondern wartete geduldig, während der Mann seine Avancen vorantrieb.
„Ich habe mich gefragt, ob Sie heute Abend frei sind“, fuhr er wie erwartet fort, „und würde mich freuen, wenn Sie mich zum Dinner begleiten.“
Worüber du dich freuen würdest, mein aufgeblasener Prinz, ist, mich zu vernaschen, dachte Charmaine.
Während er ihr schmachtend in die Augen sah, wurde ihr Blick eiskalt. „Tut mir leid“, erwiderte sie dann und hob das Kinn, „aber heute Abend habe ich schon etwas vor.“ Dabei wusste sie genau, dass er sich dadurch nicht von seinem Vorhaben abbringen lassen würde.
„Dann vielleicht ein andermal. Wie ich höre, wohnen Sie in Sydney. Es mag Ihnen nicht bewusst sein, aber ich verbringe dort immer die Wochenenden.“
Das war ihr tatsächlich entgangen, aber den Prinzen hatte sie heute auch zum ersten Mal gesehen. Wie so viele Scheichs trat er nur selten in der Öffentlichkeit auf. Doch heute war von seiner Familie ein Preis gestiftet worden, den er samt Pokal übergeben hatte. Dabei war ein Pärchen aus Melbourne so freundlich gewesen, Charmaine über Prinz Ali aufzuklären. Jetzt wusste sie, dass er Mitte dreißig war und seit zehn Jahren sehr erfolgreich ein großes Gestüt im oberen Hunter Valley nordwestlich von Sydney leitete.
Hinter vorgehaltener Hand hatte sie auch von seinem Ruf als Frauenheld und Liebhaber erfahren, wobei sie nicht genau wusste, ob das als Anreiz oder Warnung gedacht war. Sollte es Ersteres gewesen sein, war es reine Zeitverschwendung. Sie dachte nicht im Traum daran, sich mit dem Mann einzulassen. Ganz im Gegenteil, sie konnte es kaum erwarten, ihm deutlich zu machen, dass er sich eine andere Bettgefährtin suchen musste.
„Ich bin morgen Nachmittag wieder in Sydney“, fuhr er jetzt mit verführerischer Stimme fort, wobei er Charmaine nicht aus den Augen ließ. „Ich pokere freitagabends immer in meiner Hotelsuite und sehe mir samstags die Pferderennen an. Hätten Sie vielleicht Zeit, übermorgen Abend mit mir essen zu gehen?“, fragte er, und Charmaine dachte: Er lässt nicht locker. Aber das hatte sie ja schon erwartet. „Oder haben Sie hier in Melbourne noch Termine?“
„Nein, ich fliege morgen früh zurück nach Sydney. Aber Samstagabend habe ich leider auch keine Zeit“, erklärte Charmaine und musste ein zynisches Lächeln unterdrücken.
Erstaunt sah er sie an. „Haben Sie eine andere Verabredung?“
„Nein“, antwortete sie kurz angebunden.
Er runzelte die Stirn. „Dann gibt es einen festen Freund, der etwas dagegen hat, wenn Sie mit mir essen gehen? Oder einen heimlichen Liebhaber?“
Charmaines Verärgerung erreichte ein bisher nicht da gewesenes Höchstmaß, hervorgerufen von seiner gestelzten Ausdrucksweise und der Annahme, es müsse einen anderen Mann geben, der sie davon abhielt, mit ihm, dem Prinzen, auszugehen. Auf die Idee, dass sie ihn nicht unwiderstehlich fand und einfach nicht mit ihm zusammen sein wollte, kam er gar nicht. Doch am meisten brachte sie seine letzte Mutmaßung auf, dass sie womöglich bereits die heimliche Geliebte eines reichen Mannes sei.
„Ich habe keinen Freund und auch keinen Liebhaber .Ich gehe einfach grundsätzlich nicht mit jemandem wie Ihnen aus. Also sparen Sie sich die Mühe und fragen Sie mich nicht mehr.“
Der Blick des Prinzen wurde hart, und er zog die Brauen zusammen. „Darf ich vielleicht fragen, was Sie mit ‚einem Mann, wie ich es bin‘ meinen?“ Er klang eisig.
„Sie dürfen“, erwiderte sie genauso kalt, „aber Sie werden keine Antwort bekommen.“
„Ich habe doch
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