JULIA COLLECTION Band 10
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Der Ober kam mit dem Mineralwasser und fragte, ob sie jetzt bestellen wollten. Doch der Prinz winkte ab. „Geben Sie uns noch zehn Minuten“, sagte er. „Bisher hatten wir keine Zeit, einen Blick in die Speisekarte zu werfen.“
Bei der Vorstellung, das angeschnittene Thema zu vertiefen, wankte Charmaines Entschluss, höflich zu bleiben. Vorsorglich hielt sie die in Leder gebundene Speisekarte so, dass sie ihr als Sichtschutz diente. Doch obwohl der Prinz ihr jetzt keine schmachtenden Blicke mehr zuwerfen konnte, blieb ihr die Erinnerung daran, und sie kam sich vor wie ein seltener Schmetterling, den ein fanatischer Sammler unbedingt haben wollte – tot oder lebendig –, um ihn sich unter der Lupe anzusehen.
Langsam senkte sie die Karte, nur um festzustellen, dass der Prinz sie immer noch beobachtete. Irgendwie ergriff sie dabei Panik, und das machte sie wütend. „Ich habe keine Ahnung, was ich bestellen soll“, sagte sie brüsk und schlug die Karte zu. „Würden Sie vielleicht für mich wählen, Eure Hoheit? Ich esse alles außer Backpflaumen, die kann ich nicht ausstehen.“
„Sie trinken keinen Alkohol und sind beim Essen nicht wählerisch, ziemlich ungewöhnlich für eine Frau aus dem Westen“, sagte er wie zu sich selbst, aber wenigstens wandte er sein Augenmerk jetzt der Karte zu. Charmaine verspürte eine enorme Erleichterung, seufzte unwillkürlich und lehnte sich zurück.
„Sie klingen müde“, bemerkte der Prinz, glücklicherweise, ohne aufzusehen.
„Ich hatte eine sehr arbeitsintensive Woche.“
„Wegen Ihrer Stiftung oder wegen des Modelns?“, fragte er, wiederum ohne aufzusehen.
„Letzteres. Die Marketingleiterin der angesehenen Dessousfirma Femme Fatale hat mich gebucht. Das ewige An- und Ausziehen und Schminken ist unheimlich anstrengend. Aber wenigstens durfte ich sämtliche Dessous behalten.“
Jetzt sah er allerdings doch auf, und Charmaine musste sich eingestehen, dass sie bei einem Mann noch nie so eindrucksvolle Augen gesehen hatte. Wahrscheinlich fiel es einer normalen Frau schwer, sich ihrem Zauber zu entziehen. Gut, dass sie, was das betraf, nicht normal war, sonst wäre es dem Scheich sicher gelungen, sie zu verführen. Denn das hatte er bestimmt vor. Sein Stolz verlangte mehr als nur ihre Gesellschaft bei einem miserablen Dinner.
„Ich wusste ja gar nicht, dass Femme Fatale auch Unterwäsche herstellt. Ich dachte, es sei eine Parfümfirma. Dabei habe ich Sie auch zum ersten Mal gesehen, in einem Werbespot für Unterwäsche, bei dem Sie die Salome darstellten.“
Daher also sein Interesse an ihr! Das wunderte Charmaine nicht. In dem Spot hatte sie beinah nichts angehabt. Und die Fernsehzensoren hatten befunden, ihr Tanz der sieben Schleier müsse beim fünften enden.
„Die Leute von Femme Fatale haben mit Parfüm angefangen, aber jetzt wollen sie auch eine Linie mit sexy Dessous herausbringen. Ich bin das Gesicht für ihre Sommerkollektion, die demnächst auf der Website des Unternehmens im Internet veröffentlicht wird.“
„Dann kann Sie ja alle Welt halb nackt sehen!“
„Darüber scheinen Sie ja geradezu schockiert zu sein, verehrter Prinz!“, rief Charmaine belustigt und verärgert zugleich. „Wahrscheinlich empfinden Sie es als unmoralisch, wenn sich eine Frau in Unterwäsche fotografieren lässt.“
Bemüht, seine Gefühle im Zaum zu halten, biss er die Zähne zusammen. „Ich … ich halte es für unter Ihrer Würde.“
„Ach tatsächlich! Na ja, da, wo Sie herkommen, dürfen die Männer wahrscheinlich alles, und die Frauen werden in sämtlichen Lebensbereichen eingeengt. Begründen tut man das dann mit ihrer Würde.“
„Bitte“, sagte er mit zusammengekniffenen Augen, „lassen Sie sich nicht von Ihren Vorurteilen leiten. In Dubar werden die Frauen hoch geachtet und beschützt und nicht eingeengt.“
Gern hätte Charmaine das Thema vertieft, aber in diesem Augenblick kam der Ober zurück. Was vielleicht besser war, denn sie wollte sich nicht schon jetzt mit dem Prinzen streiten.
Er bestellte drei Gänge: als Vorspeise „Garnelen, orientalische Art“, als Hauptgang „Ente“ und danach „Mousse au chocolat“. Das klang alles lecker, bedeutete aber eine zusätzliche Stunde im Fitnessstudio. Egal, morgen hatte sie ohnehin nichts vor. Am Wochenende wurde nicht gemodelt, da speziell für Außenaufnahmen viel zu viele Menschen unterwegs waren. Einen festen Freund gab es nicht, und für ihre Stiftung musste sie dank Prinz Ali
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