JULIA COLLECTION Band 11
oder nicht.“
Sie öffnete den Mund zu einer Erwiderung. Sie liebte ihn, daran bestand kein Zweifel. Aber konnte sie ihn so bedingungslos, so furchtlos lieben, wie er es erwartete und verdiente? Unschlüssig schwieg sie.
Einen Moment lang blickte er sie forschend an. Dann wandte er sich ab, und ihr war nie zuvor so sehr nach Weinen zumute gewesen.
15. KAPITEL
Nachdenklich musterte Avis die Einladung zur Baby-Party, die an ihrem Kühlschrank hing. Der kleine Magnet, der die bunte, von Sierra handgemalte Karte hielt, sah aus wie eine zierliche Porzellantasse und erinnerte Avis unwillkürlich an den Kaffee, den Lucien ihr im Wintergarten der Villa Tyrone serviert hatte. Beschämung beschlich sie. Aus Liebe zu ihr war er bereit gewesen, sich mit seiner Mutter anzulegen und die Fürsorge seines Sohnes zu verkomplizieren. Doch sie hatte es ignoriert und sich gegen ihn verhärtet – aus Angst. In den acht Tagen seit ihrer letzten Begegnung hatte sie eingesehen, wie feige und oberflächlich sie gehandelt hatte, und begierig darauf gewartet, dass er zurückkehrte und ihr den Heiratsantrag machte.
Aber er war nicht gekommen, und er hatte nicht angerufen. Hatte er sie wirklich aufgegeben? Oder glaubte er nur, dass sie ihn aufgegeben hatte?
Sie hatte keine Ahnung, wo er sich aufhielt, aber sie wusste, wo sie ihn haben wollte. Kurz entschlossen griff sie zum Telefon und wählte seine Handynummer. Als sich seine Mailbox einschaltete, holte sie tief Luft und sprach hastig auf Band: „Lucien, ruf mich bitte an. Ich hatte gehofft, längst von dir zu hören. Ich möchte, dass du nach Hause kommst. Ich meine, nach Texas. Ich brauche dich.“
Sie verließ die Küche, um sich für das Büro anzuziehen. Das Telefon klingelte, noch bevor sie die Treppe erreichte. Sie rannte zurück und griff zum Hörer. „Hallo?“
„Was ist passiert?“, fragte Lucien besorgt.
Sie seufzte erleichtert. „Passiert? Wieso?“
„Du hast gesagt, dass du mich brauchst.“
„Das stimmt. Ich brauche einen Begleiter zu einer Baby-Party am Samstagnachmittag.“
„Eine Baby-Party?“
„Ja. Du weißt schon, eine Feier, zu der man Geschenke mitbringt für ein Paar, das ein Baby erwartet.“
Nach einer längeren Pause hakte er nach: „Und wer ist dieses Paar?“
War das Hoffnung, die sie in seiner Stimmer hörte? Sie schloss die Augen und dachte zurück an jene Zeit, als sie sich verzweifelt Kinder gewünscht hatte. Sie räusperte sich. „Meine Freunde Val und Ian Keene. Sie kriegen ihr erstes Baby, und wir veranstalten eine Party für sie.“
„Und dazu brauchst du einen Begleiter?“
„Na ja, es ist diesmal keine traditionelle Baby-Party. Wir haben beschlossen, auch die Männer einzuladen. Die wollen grillen und um Preise pokern. Du hast nicht zufällig Jetons herumliegen, oder?“
Belustigt erwiderte er: „Ich glaube, ich kann ein paar auftreiben.“
„Gut. Sehen wir uns dann am Samstag so gegen vier?“
„Das könnte ich schaffen.“
„Das freut mich.“
„Du hast lange genug gebraucht“, sagte er.
„Stimmt.“ Sie lachte. „Oh, und zieh bitte Jeans an.“
„Gut. Was immer du willst.“
Ich will dich, dachte sie. „Bis dann“, sagte sie.
Luciens Hände zitterten vor Nervosität. Es war ihm schwergefallen, Avis den Freiraum zu lassen, den sie offensichtlich benötigt hatte, um die Situation zu durchdenken. Endlich hatte sie sich bei ihm gemeldet – ausgerechnet unter dem Vorwand, einen Begleiter zu einer Party zu brauchen. Nicht, dass es ihn störte. Er wäre auch dann zu ihr geeilt, wenn sie ihn gebeten hätte, eine Glühbirne auszuwechseln. Er hoffte nur, dass sie nicht wieder einmal versuchte, ihre Beziehung einzugrenzen. Ein Ausdruck, den sie auf die Mailbox gesprochen hatte, ermutigte ihn allerdings gewaltig: nach Hause.
Es war eine Bezeichnung, die er selbst oft gedankenlos benutzte. Doch nun wurde er sich bewusst, dass es für ihn kein Ort war. Nach Hause kommen bedeutete vielmehr, geliebte Menschen zu treffen – bisher Nico und nun auch Avis.
Die Limousine hielt vor ihrem Haus. Lucien wies seinen Fahrer an: „Warten Sie hier, Jeff. Vielleicht brauche ich Sie noch.“
„Ja, Sir.“
Lucien stieg aus. Bewaffnet mit einem großen Teddy in Feuerwehrmannskluft und einem Lederkoffer mit Jetons er ging zur Haustür. Sie öffnete sich, gerade als er die unterste Stufe erreichte.
„Du bist da“, sagte Avis mit strahlendem Gesicht. Lächelnd ging er zur Veranda hinauf.„Ja.“ Er beugte sich vor und küsste
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