JULIA COLLECTION Band 12
der Raum war voller Leute. Aber Hope schien glücklich zu sein.
Innerhalb von Sekunden waren sie von Kindern und Teenagern umringt. „Hey, wo hast du denn das Baby her?“
„Ich passe für eine Freundin auf die Kleine auf.“
Ein Dutzend weitere Fragen folgten. Michael bemerkte, wie geduldig Brenda alle beantwortete. Dann sah er zwei traurig wirkende Weihnachtsbäume, die in einer Ecke lehnten.
Der kürzere schien für die jüngeren Kinder bestimmt zu sein, die ihn nach ihrem Geschmack dekorieren durften. Michael hätte zu gern die Kette mit den elektrischen Kerzen entwirrt, die so aussah, als wäre sie einfach irgendwie auf den Baum geworfen worden. Brenda konnte offenbar seine Gedanken lesen. „Es ist ihr Baum. Daran können sie sich austoben. Der größere wird traditioneller.“
Die jüngeren Kinder stellten ihren eigenen Baumschmuck her, aus allen möglichen Dingen, von Alufolie bis zu Eierkartons, und schrieben ihre Namen darauf. Beim Aufhängen gab es Streit, den Brenda schlichtete. Sie brachte es fertig, gleichzeitig Hope im Arm zu halten, ein paar Jugendliche anzuweisen, die Kekse auf dem Tisch zu verteilen, und eine riesige selbstgebastelte Karte an den Weihnachtsmann zu unterschreiben. Michael staunte. Allerdings tat er das ständig, seit er Brenda kannte.
Als sie nun merkte, dass er sie ansah, lächelte sie und winkte ihn zu sich. „Kannst du Hope eine Weile halten? Ich muss sicherstellen, dass sie mit den Lichterketten nicht die Steckdose überlasten.“
„Sicher. Kein Problem.“
Also saß Michael nun auf dem Stuhl, den er ursprünglich für Brenda besorgt hatte, und spielte mit Hope „Hoppe, hoppe, Reiter“. Ihr Kichern erwärmte sein Herz.
Aber der Anblick von Brenda unter dem Baum bewirkte noch mehr bei ihm. Sie setzte einige Teile seines Körpers in Flammen. In den letzten beiden Nächten hatte er in seinen Träumen mit ihr geschlafen, jeden Zentimeter ihrer nackten Haut geküsst, jede Kurve nach versteckten Sommersprossen abgesucht.
Seine heißen Gedanken wurden durch Juan unterbrochen, der plötzlich grinsend vor ihm stand und ihm die Sicht auf Brenda versperrte. „Sie sehen nicht mehr einsam aus“, stellte der Junge fest. „Brenda hat bei Ihnen auch Wunder gewirkt.“
„So könnte man es ausdrücken“, stimmte Michael zu.
Das Wort „Wunder“ erinnerte ihn an das Kästchen. Seine Eltern würden bald wieder zu Hause sein, und dann konnte er sie endlich nach den Einzelheiten über diesen Fluch, oder was immer es war, fragen. Jedenfalls war er sicher, dass die beiden sich auf der Stelle in das Baby verlieben würden.
Als er nun Hopes Gesicht betrachtete, merkte er, dass er schon genauso schlimm war wie Brenda. Allmählich betrachtete er das Kind als seins. Doch jetzt spürte er etwas Feuchtes an seinem Knie.
„Sie ist mal wieder nass“, sagte er Brenda, die gerade zu ihm zurückkam.
„Ich kümmere mich darum.“ Sie griff nach Hope und der Babytasche.
„Es ist Brendas Spezialität, sich um alles zu kümmern.“ Pater Lyden nahm neben Michael Platz. „Sie scheint das Baby ihrer Freundin sehr zu mögen.“
Michael spürte einen warnenden Unterton in den Worten des Priesters. „Ist etwas daran falsch?“, fragte er.
„Falls das Kind nur vorübergehend bei ihr bleibt, ja. Es könnte hart für Brenda sein, wenn ihre Freundin wiederkommt.“
„Es ist nicht sicher, ob diese Freundin je wieder auftaucht. Es ist eine komplizierte Situation.“ Michael fühlte sich unbehaglich dabei, einen Priester zu belügen.
„Ich will nur nicht, dass Brenda verletzt wird. Sie hat so viel für andere getan und verdient etwas Glück für sich selbst. Sie ist diejenige, die das Spielzeug organisiert hat, das die Kinder heute geschenkt bekommen. Ah, wie ich sehe, kommt sie zurück. Ich sollte jetzt besser damit anfangen, die Geschenke zu verteilen.“
In der nächsten halben Stunde ging es sehr laut zu.
„Weißt du, als ich ein Kind war, hatte meine Familie eine Tradition für den Nikolaustag am 6. Dezember“, sagte Michael. „Wir haben unsere Stiefel auf die Fensterbank gestellt, und wenn wir artig waren, hat Télapó, das ist der ungarische Weihnachtsmann, Mandarinen, Äpfel und Walnüsse hineingelegt. In einem Jahr habe ich allerdings Footballkarten und Kaugummi bekommen.“
„So viele Länder haben ihre eigenen Traditionen“, erwiderte Brenda. „Sieh dich nur mal hier um.“ Die meisten Kinder im Raum waren schwarz, aber es gab auch Latinos und Asiaten. „Verschiedene
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