JULIA COLLECTION Band 14
von Endicott hatte angerufen oder war persönlich in der Redaktion erschienen, um zu erfahren, ob es stimmte, was sie geschrieben hatte. Organisierte Kriminalität in Endicott? Undenkbar! Angie hatte die ganze Zeit damit zugebracht, den Leuten zu erklären, worum es eigentlich ging. Dabei war sie selbst nicht hundertprozentig sicher, dass sie alle nötigen Fakten für die Storys zusammenbekommen hatte.
Natürlich ist auf meine Informationsquellen Verlass, redete sie sich ein, um sich zu beruhigen, und schloss die Tür auf. Na ja, auf die eine Informationsquelle, um genau zu sein. Die bestand aus Maury, einem Freund aus dem College, der als Journalist für den „Philadelphia Inquirer“ arbeitete. Er hatte vor Monaten den Tod eines Mafiabosses recherchiert und Angie alarmiert, da der Name ihrer Heimatstadt an einigen verdächtigen Stellen aufgetaucht war.
Maury hatte mit ihr eine Abmachung getroffen: Sie würden beide an der Sache dranbleiben und Informationen austauschen, um schließlich eine Top-Story zu landen. Sicher, Maury war sonst für die Nachrufe zuständig, er hatte die Recherchen während der Mittagspause erledigt und besaß keinerlei Legitimation seitens der Zeitung. Doch Angie hielt ihn trotzdem für eine verlässliche Quelle.
Außerdem habe ich niemanden erwähnt, überlegte sie weiter und sammelte die Post vom Fußboden ein. Nicht mal Ethan Zorn. Sie runzelte die Stirn und sah den Stapel Rechnungen und Werbesendungen durch.
Leider waren die beiden Artikel auf Marlenes Drängen so vage gehalten, dass sie überhaupt nichts Konkretes sagten und stattdessen lediglich die Einwohner Endicotts durcheinanderbrachten. Und das ausgerechnet kurz vor dem Kometen-Festival. Aber Angie würde sämtliche nötigen Fakten nachliefern, denn schließlich hatte sie noch eine ganze Artikelserie geplant.
Sie war bereits auf dem Weg ins Wohnzimmer, als sie merkte, dass etwas nicht stimmte. Normalerweise ließ sie die hellere grüne Lampe neben der Couch brennen, wenn sie zur Arbeit ging, nicht die Messingstehlampe in der Ecke, die nur einen schwachen Schein verbreitete.
Außerdem war sie absolut sicher, dass sie das Radio ausgemacht hatte. Und falls sie es angelassen hatte, dann auf dem Nachrichtenkanal, den sie morgens hörte, nicht auf dem Jazzkanal, der sie jetzt mit sanften Saxophontönen begrüßte.
Hinter ihr fiel die Tür ins Schloss. Angie wirbelte herum und stellte fest, dass sie nicht allein war. Ethan Zorn lehnte an der Wand, und gerade als sie schreien wollte, öffnete er sein Jackett, sodass seine Waffe zum Vorschein kam. Widerstrebend machte Angie den Mund wieder zu.
Ethan grinste, und seine blendend weißen Zähne und der teure, maßgeschneiderte Anzug standen in seltsamem Widerspruch zu seiner bedrohlichen Haltung. „Angel“, sagte er mit leiser, rauer Stimme.
Angie hatte keine Ahnung, wie sie reagieren sollte, daher blieb sie einfach stehen und wartete, was er tun würde.
Ethan stieß sich von der Wand ab, verriegelte die Tür und ging langsam auf Angie zu. Dicht vor ihr blieb er stehen und neigte den Kopf, sodass seine Stirn ihre fast berührte. „Du wirst allmählich zum echten Ärgernis.“
„Ich?“, erwiderte sie empört, ungeachtet der Pistole. „Ich bin nicht diejenige, die diese Stadt auf den Kopf stellen will.“
Er hob den einen Mundwinkel, und die Andeutung eines Lächelns erschien auf seinem Gesicht. „Ich brauche einen Drink“, sagte er plötzlich und wandte sich abrupt ab. „Wo befindet sich deine Bar?“, erkundigte er sich, als hätten alle Menschen eine hübsche kleine Cocktailbar in ihren Wohnungen.
„Im Kühlschrank ist noch Wein“, antwortete Angie.
Ethan ging in die Kochnische und kehrte mit zwei Gläsern ins Wohnzimmer zurück, beide halb voll mit dunkelroter Flüssigkeit. Er reichte eines Angie, die, ohne nachzudenken, daran nippte und hoffte, dass der Wein sie beruhigte. Doch sofort fiel ihr ein, dass ihr ungebetener Gast die Gelegenheit gehabt hatte, ihr irgendeine Droge in den Wein zu mischen. Prustend spuckte sie ihn aus.
„Ja, er ist wirklich schlecht, nicht wahr?“, bemerkte Ethan. „Ehrlich, dein Geschmack bei Wein ist erbärmlich. Ich gebe dir einen guten Tipp für Anfänger: Stell Rotwein nicht in den Kühlschrank.“ Da sie nichts erwiderte, sondern ihn bloß immer verwirrter anstarrte, zuckte er die Schultern und schränkte ein: „Gut, Beaujolais darf ein wenig gekühlt sein. Aber Burgunder, nein, der muss Zimmertemperatur haben.“
Angie
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