JULIA COLLECTION Band 17
schlafen zu wollen.“
Kate blieb der Mund offen stehen. Wenn er sie schockieren wollte, hätte er es nicht besser anstellen können. Seine Bemerkung über den „Morgen danach“ hatte sie geärgert, aber das hier war ein ganz anderes Kaliber. „Was soll das? Wir beide weinen unserer Beziehung keine Träne nach. Das hast du vor acht Jahren nicht getan, und das tust du auch jetzt nicht!“
„Nachweinen? Ganz sicher nicht, Liebling. Nicht, nachdem du dich mit meinem guten alten Freund Hamilton getröstet hast.“
„Und du? Hast du uns davor etwa eine Träne nachgeweint?“, flüsterte sie. Sie konnte nicht fassen, dass sie sich schon wieder mit ihm stritt. Mitten in Boston, auf einem belebten Bürgersteig.
Sie spürte seine Hand an ihrem Arm sowie die neugierigen Blicke der Passanten und ging weiter, aber Brad folgte ihr. „Es tut mir leid“, stammelte sie. „Das hier fällt mir schwerer, als ich erwartet habe.“
Er hielt sie fest, als sie die Straße überqueren wollte. „Daran hättest du denken sollen, bevor du dich in diesen Auftrag gemogelt hast.“
„Ich will Madelyn finden.“
„Pech für dich, dass du dazu meine Gesellschaft in Kauf nehmen musst.“
„Sehr richtig“, erwiderte sie. „Mein Wunsch, sie zu finden, ist größer als meine Abneigung dir gegenüber.“
„Hass.“
Sie zögerte. „Ich wünschte, es wäre Hass“, erwiderte sie mit schmerzerfüllter Stimme. „Dann wäre das hier nicht so schwer.“
„Das hier?“
Sie machte eine alles einschließende Handbewegung. „Ja, das hier. Unsere Nähe ertragen zu müssen, obwohl ich weiß, dass du sie kaum aushältst. Ich weiß, dass du mich als Last empfindest. Du hast kein Geheimnis daraus gemacht. Aber keine Sorge, das lässt sich ändern.“
„Wie?“
„Indem ich mir ein eigenes Hotelzimmer nehme.“
„Kate, manchmal gleichst du einer Schallplatte, die einen Sprung hat. Die Stadt ist voll. Sogar deine goldene Kreditkarte nützt da nichts. Und selbst wenn du ein Zimmer findest, ändert das nichts daran, dass wir noch nicht miteinander fertig sind.“
Verwirrt starrte sie ihn an. „Was?“
„Wir sind nicht miteinander fertig. Wir waren es nicht mal damals, als du mit Hamilton zum Traualtar geschritten bist.“ Er senkte die Stimme. „Sag’s mir, Kate. War es gut mit ihm? So gut wie bei uns? Hast du in seinen Armen je das erlebt, was du in meinen gefühlt hast? Hast du hinterher geweint, weil es so intensiv war, dass es dich überwältigt hat?“
Als Therapeutin wusste Kate, wie wichtig es war, unangenehme Wahrheiten offen auszusprechen. Es hatte etwas Reinigendes. Aber nicht auf einem belebten Bürgersteig in der Innenstadt von Boston.
„Willst du das wirklich wissen?“, fragte sie mit brüchiger Stimme. „Oder willst du mich lediglich dafür bestrafen, dass ich dich damals nach all den Jahren auf einen konkreten Hochzeitstermin festlegen wollte? Du hättest mir von Anfang an sagen sollen, dass eine Heirat für dich ausgeschlossen war. Stattdessen hast du mich zwei Jahre lang hoffen lassen. Was hast du denn geglaubt, wie lange ich darauf warten würde, bis du dich dazu herablässt, mich zu heiraten? Weitere sechs Monate? Weitere sechs Jahre?“ Sie wollte seine Antwort nicht hören, also ging sie weiter. Als er sie nicht aufhielt, fühlte sie Erleichterung und Verzweiflung zugleich.
Brad hatte sie nie aufgehalten. Nicht damals vor zwölf Jahren, nach dem idiotischen Streit in dem Hotelzimmer, dem ersten, das sie miteinander teilen wollten – nach dem Schulball, als sie allein nach Hause gegangen war, mitten in der Nacht und auf hohen Pfennigabsätzen.
Und auch nicht vor acht Jahren, als sie als Brautjungfer auf der Hochzeitsfeier einer Freundin Hamilton Orwell zum Tanz aufgefordert hatte, um Brad eifersüchtig zu machen. Er war nicht eifersüchtig gewesen, sondern eiskalt. Und er hatte sie mit Verachtung gestraft.
Spätestens da war Kate klar geworden, dass er ernst meinte, was er ihr unzweideutig erklärt hatte. Dass sie, wenn sie unbedingt heiraten wollte, sich einen anderen suchen sollte.
Genau das hatte sie getan, und jetzt war sie froh, dass sie nicht auf ihn gewartet hatte. Brad Larson stand nicht mehr auf der langen Liste ihrer unerfüllten Träume.
Aber warum war sie dann den Tränen nahe, als sie im Hotel den leeren Fahrstuhl betrat? Und warum empfand sie eine solche Einsamkeit, als die Tür sich schloss und er in der Halle zurückblieb?
6. KAPITEL
Brad sah Kate nach, als sie den Fahrstuhl betrat
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