JULIA COLLECTION Band 17
und die Türen hinter ihr zuglitten.
Er stieß den viel zu lange angehaltenen Atem aus und rieb sich mit der flachen Hand über das Gesicht. Erst der zweite Tag zusammen, und sie waren bereit für ein Pistolenduell. Ihr jetzt zu folgen wäre der schlimmste Fehler, den er je begangen hatte. Wie hatte er nur glauben können, dass er es in ihrer Nähe schaffen würde, die Vergangenheit dort zu lassen, wo sie hingehörte? Nämlich in der Vergangenheit.
Er brauchte einen Drink.
In der Hotelbar war Happy Hour, und es herrschte Hochbetrieb. Die Musik war laut, Zigarettenrauch hing in der Luft, und auf der kleinen Tanzfläche drängten sich die Paare.
Trotz des Gedränges kam eine Kellnerin auf ihn zu. Sie trug ein Kleid, das ihre Reize mehr als ahnen ließ, und ihr Blick verriet, dass ihr gefiel, wen sie vor sich sah. Sie legte den Kopf schräg, und das lange braune Haar glitt ihr über die Schulter. „Sir?“ Ihre Lippen liebkosten das Wort. „Kann ich etwas für Sie tun?“
Brad fragte sich, woran es wohl lag. Er fand sich nicht besonders attraktiv. Er war zu groß, um in der Touristenklasse bequem sitzen zu können. Seine Schultern waren zu breit für Anzüge von der Stange. Zum Friseur ging er erst, wenn das Haar ihm in die Augen hing.
Aus irgendeinem Grund mochten die Frauen ihn. Und er wehrte sich nicht dagegen. Er war der, der er war.
Und im Moment war er jemand, für den eine Bar ein gefährlicher Ort war. Also schüttelte er den Kopf, lächelte der hübschen Kellnerin zu und ging auf die Straße hinaus. Schneller als nötig streifte er durch die Innenstadt von Boston. Körperliche Anstrengung war gut gegen unerwünschte Gefühle, die ihn nur an das erinnerten, was nicht sein konnte.
Als er endlich eine Pause einlegte, war es fast dunkel. An wie vielen Bars war er vorbeigekommen? Er hatte sie nicht gezählt und keine davon betreten. Er hatte zwei weitere Galerien aufgesucht, die beide schon geschlossen waren, aber die Eigentümer wohnten in der Nähe, also hatte er sie aufgespürt.
In einem alten Pub ließ er sich etwas zu trinken und zu essen einpacken und kehrte ins Hotel zurück.
Zu Kate.
Kate hörte, wie die Zimmertür geöffnet wurde, drehte sich jedoch nicht danach um, sondern starrte auf den Zeichenblock, der auf ihren angezogenen Knien lag. Brad kam herein, und obwohl sie es nicht wollte, wandte sie kurz den Kopf. Er sah erschöpft aus. Als hätte er eine Schlacht geschlagen und sie noch nicht ganz gewonnen.
Sie hätte gern gewusst, wo er die ganze Zeit über gewesen war, aber sie schwieg. Sie wollte sich nicht wieder mit ihm streiten.
Seine Miene blieb unverändert, als er an dem Rollwagen vorbeiging, den der Zimmerservice gebracht hatte. Darauf standen Servierschüsseln mit silbernen Deckeln, ein Korb mit frischen Brötchen, eine silberne Kaffeekanne sowie eine einzelne Rose.
Kate saß am Tisch, die Füße auf der Bettkante, und schien ihn zu ignorieren. Er stellte die braune Papiertüte neben ihren Ellbogen.
Der Duft von Pastrami und sauren Gurken stieg ihr in die Nase. „Ist das für mich?“
„Ich habe es dir hingestellt, oder? Aber du hast dich ja schon selbst versorgt, wie ich sehe.“
„Ich konnte nicht wissen, wann du kommst.“ Dass sie fast eine halbe Stunde lang die Karte studiert und überlegt hatte, was ihm schmecken würde, erwähnte sie nicht.
Kate öffnete die Tüte. Sie enthielt zwei Pastrami-Sandwichs, eine Flasche Bier und einen Becher gefrorene Limonade. Sie stellte alles auf den Tisch. Die gekühlten Salate, die Shrimps auf Eis und die Petits Fours, die sie beim Zimmerservice bestellt hatte, waren vergessen.
O Brad, dachte sie. Was tun wir hier?
Sie beide waren sechzehn gewesen, als er ihr bei ihrem ersten „offiziellen“ Date gefrorene Limonade gekauft hatte. Sie hatten sie miteinander geteilt, mit einem Löffel und einem Strohhalm, und danach hatte er den leeren Becher in einen Abfallkorb geworfen, die Hände um ihre Schultern gelegt und sie geküsst.
Selbst mit sechzehn war er schon groß gewesen – und schmaler, als ihm lieb war. Er hatte nach Limonade geschmeckt und versucht, sich seine Nervosität nicht anmerken zu lassen, aber seine Hände hatten gezittert.
An dem Tag hatte Kate gewusst, dass sie ihn liebte.
Sie hatte es einfach gewusst.
„Hast du eine Fliege in dem Drink?“
Hastig kehrte sie in die Gegenwart zurück. „Nein, alles in Ordnung.“
Er nickte, setzte sich jedoch nicht. Er nahm ein Sandwich und die Flasche und ging damit auf den
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