JULIA COLLECTION Band 20
drangen Geräusche, und so ging sie dorthin. Sie fühlte sich sauber, hatte ihre parfümierte Bodylotion benutzt und trug den letzten sauberen Kittel.
„Die Suppe ist fertig“, verkündete Kell. Er hatte sich ein Geschirrtuch vorn in den Gürtel gesteckt. Daisy betrachtete die behelfsmäßige Schürze und errötete. Zu viel Neugier konnte gesundheitsschädigend sein.
„Probieren Sie mal. Ist da zu viel Pfeffer drin?“ Er reichte ihr einen langstieligen Kochlöffel, mit dem er die Suppe umgerührt hatte.
„Tomatensuppe?“ Sie griff nach dem Löffel. Einen Moment lang berührten Kells und ihre Finger sich, und es kam Daisy vor, als habe sie einen elektrischen Funken gespürt.
„Ja, aber ich habe sie noch mit Gewürzen verfeinert. Sie müssen wissen, dass ich in der Küche auch kein absoluter Anfänger bin.“
Daisy kostete. Eigentlich hatte sie keinen Hunger, aber wenn ein großer, gut aussehender Mann mit einem Geschirrtuch vorn an der Jeans ihr etwas anbot, dann konnte sie nicht ablehnen, egal, worum es sich handelte. „Oh! Meine Güte. Wow!“ Tränen schossen ihr in die Augen, und sie schnappte nach Luft.
„Doch zu viel Pfeffer?“
„Bilde ich mir das nur ein, oder höre ich da tatsächlich den Feueralarm?“
„Tut mir leid. Der Inhalt des Glases war verklumpt, und es ist alles hineingefallen, bevor ich es verhindern konnte.“
Sie fächelte sich Luft zu und griff nach der Milch. „Schütten Sie noch eine Dose hinein. Vielleicht hilft es, das Ganze zu verdünnen.“
Der böse Scherz des Feuerteufels, so nannte Daisy Kells Gericht, als sie es gemeinsam verspeisten. Eigentlich handelte es sich lediglich um harmlose Tomatensuppe aus der Dose, die Kell allerdings in einen tödlichen Angriff auf jeden Geschmacksnerv verwandelt hatte. Ihm schien die Schärfe nichts auszumachen.
„Was hat Ihr Freund von der Historischen Gesellschaft Ihnen denn erzählt?“, erkundigte Daisy sich, als sie ihre Zunge wieder einigermaßen unter Kontrolle hatte.
„Er kannte meinen Dad, zumindest glaube ich das. Außerdem behauptet er, er habe den Gebrüdern Wright geholfen, einen Abstellplatz für ihre Fahrräder zu finden, während sie ihr Fluggerät testeten. Aber so alt kann er eigentlich noch nicht sein. Wollen Sie die restliche Suppe essen?“
„Nein, danke“, erwiderte Daisy schnell.
„Wie geht’s Ihren Verspannungen?“
„Schon viel besser. So gut wie verschwunden.“ Aber nicht mehr lange, wenn du mich weiterhin so ansiehst, dachte sie.
„Möchten Sie mir heute Abend noch die Fotoalben zeigen? Ich stelle das Zeug hier einfach in die Spüle und wasche es später ab.“
Eigentlich wollte Daisy keine Zeit mehr mit ihm allein verbringen, aus dem einfachen Grund, weil sie sich zu sehr danach sehnte.
Nachdem Kell das Geschirr in die Spüle gestellt hatte, führte Daisy ihn in die Bibliothek. Leicht nervös schlug er das erste Album auf. „Während Sie sich alles ansehen, kann ich ja noch diese Schubladen leer räumen.“
Sie fing mit der mittleren Schublade an. Ein paar verbogene Büroklammern, ein Notizblock und ein Brieföffner. Daisy leerte alles in den Karton mit Müll und zog die nächste Schublade auf.
Hin und wieder hörte sie Kell eine Bemerkung machen, während er das alte Fotoalbum durchsah. Ein oder zwei Mal lachte er auf.
Daisy blickte hoch.
„Kommen Sie doch mal kurz her, ich will Ihnen etwas zeigen.“
Eigentlich wollte Daisy sich aus Kells Suche nach seiner Vergangenheit heraushalten, doch wie konnte sie diesen Wunsch abschlagen? „Was ist denn so witzig?“
Die Fotos steckten in schwarzen Fotoecken. Kell deutete auf einen Schnappschuss, der einen jungen Mann auf einer Leiter hinter einem halb geschmückten Weihnachtsbaum zeigte. Über seinen Kopf hielt er einen Kranz wie einen Heiligenschein. Das Tuch, das er sich über die Schulter gehängt hatte, sollte sicher unter dem Baum ausgelegt werden.
Daisy erkannte den Mann, obwohl er so sehr lachte, dass seine Augen fast geschlossen waren. „Das ist Harvey. Als Weihnachtsengel“, stellte sie fest. „Ich habe Ihnen doch gesagt, dass er viel Humor hatte.“
Ihr Blick fiel auf ein anderes Foto auf derselben Seite. Es zeigte einen dünnen Jungen, der barfuß einen Wagen zog, in dem ein anderer Junge saß. Der Junge im Wagen hielt sich an den Seitenwänden fest, und beide Jungen lachten. Als Daisy den Jungen im Wagen an seinem gekrümmten Rücken erkannte, wären ihr fast die Tränen gekommen.
Doch Kell wies auf den anderen Jungen,
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