JULIA COLLECTION Band 20
diesem Job interessiert war, würde er sicher mehr verlangen, als Marty sich leisten konnte. Der größte Knackpunkt allerdings war der Termindruck. Wurde er mit den Arbeiten nicht rechtzeitig fertig, dann brauchte er gar nicht erst anzufangen.
„Mist, verdammter“, flüsterte sie. Sie schaffte es immer wieder, sich selbst jede Hoffnung zu nehmen.
Eigentlich war Marty von Anfang an von ihrer Umbau-Idee begeistert. Doch je länger es dauerte, diese in die Tat umzusetzen, desto mehr Zweifel kamen ihr.
War das nicht gerade das Schlagen einer Autotür gewesen?
Noch einmal rubbelte sie mit dem Handtuch über das noch immer nasse Haar, dann suchte sie in der obersten Schublade nach einem Paar Socken. Sie hatte es schon lange aufgegeben, die Strümpfe paarweise zusammenzurollen. Deshalb hielt sie jetzt Socken in unterschiedlichen Farben in der Hand. Marty warf sie zurück in die Schublade und lief barfuß über den Holzfußboden zur Treppe.
Zumindest stank sie jetzt nicht mehr nach Farbe. Und wenn der Trick mit dem Zimt funktionierte, dann müsste der Gestank mittlerweile aus dem Haus verschwunden sein.
Gerade als sie drei Stufen hinuntergegangen war, klingelte das Telefon. Leise fluchend fuhr Marty herum und rannte zurück. Es konnte ja der Tischler sein, der nach dem Weg fragen wollte.
„Hallo! Wo sind Sie?“
„Ist er schon da?“
Marty ließ die Schultern sinken. „Oh, Sasha.“ Mit untrüglicher Sicherheit erwischte ihre beste Freundin immer den schlechtesten Zeitpunkt, um anzurufen oder zu einem kurzen Besuch zu erscheinen. „Im Moment habe ich keine Zeit zum Plaudern. Kann ich zurückrufen?“
„Du redest doch bereits mit mir, oder?“
„Aber ich hab’s eilig. Hat das denn nicht noch Zeit?“
„Ist er schon da?“
„Wer denn?“
„Na, dein Handwerker, du Dummkopf! Faylene sagt, Bob Ed habe gesagt, dass der Mann dich gestern anrufen wollte. Hat er sich denn nicht gemeldet?“
Tief durchatmend schloss Marty die Augen. Geduld ist eine Tugend, sagte sie sich, genau wie Reinlichkeit und Güte. Zuweilen hatte sie in allen drei Disziplinen versagt. „Es ist jemand vor dem Haus. Ich habe gerade eine Autotür gehört. Vielleicht ist er es. Hör zu, du wirst mir nachher genau erzählen, was ihr beide ausgeheckt habt. Aber nicht jetzt, okay?“
„Warte! Leg nicht auf! Ruf mich an, sobald er wieder weg ist, ja? Faylene sagt …“
Marty hörte nicht mehr, was Faylene angeblich gesagt hatte. Der Nachteil einer kleinen Stadt wie Muddy Landing lag darin, dass man sich, abgesehen von Angeln, Jagen und Gartenarbeit, die Zeit nur mit Tratschen vertreiben konnte. Mittlerweile wusste sicher bereits die halbe Stadt, was Marty mit ihrem Haus vorhatte, wer ihr dabei half und wie viel sie das Ganze kosten würde.
Sie knallte den Hörer auf die Gabel und spähte durch das Schlafzimmerfenster. Unten vor dem Haus stand ein alter Pick-up. Auf der Ladefläche konnte Marty einen Werkzeugkasten und vorn an der Stoßstange eine Haltevorrichtung für eine Angel ausmachen. Damit waren allerdings die meisten Fahrzeuge in Muddy Landing ausgerüstet. Und sicher klebte auf der hinteren Stoßstange auch ein Aufkleber mit irgendeinem blöden Spruch.
Na ja, Hauptsache, dieser Kerl konnte ihre Skizzen verstehen und einfache Anweisungen befolgen. Dann war es Marty egal, welche politischen Ansichten er vertrat, was für ein Auto er fuhr oder was er in seiner Freizeit machte.
Ihre Entwürfe hatten zwar nur wenig mit technischen Zeichnungen gemeinsam, aber zumindest zeigten sie deutlich, was sie sich vorstellte. Wenn der Mann auch noch lesen konnte, sollte er in der Lage sein, den Auftrag auszuführen. Würde es nicht all diese Vorschriften und Auflagen geben, so hätte Marty die Arbeiten auch selbst erledigen können, vorausgesetzt, sie hätte genug Zeit. Schließlich gab es Bücher mit Anleitungen für Bastler und Heimwerker.
Vom Fenster aus sah sie den Mann aussteigen. Erst lange Beine, die in Jeans steckten, und weiße Leinenschuhe. Dann breite Schultern in einer Lederjacke. Den zerzausten, von der Sonne gebleichten Haaren nach zu urteilen, war dieser Mann entweder ein fanatischer Surfer, oder er hatte den ganzen Sommer damit verbracht, auf irgendwelchen Dächern herumzuturnen und Schindeln festzunageln. Entlang den Outer Banks waren unzählige Handwerker damit beschäftigt, eintönige Ferienhäuser auf fast jedem verfügbaren Stück Land zu errichten. Marty wusste zwar, dass jeder Tourist, der dann kommen würde, auch ein
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