JULIA COLLECTION Band 20
ich kein einziges Buch verkauft.“ Marty verschränkte die Hände und legte sie auf ihre Knie. Wieder stellte sie die Füße auf die untere Leiste des Tisches. „Da dachte ich mir, ich könnte das Geschäft doch auch hier eröffnen, zumal das Haus mir gehört. Mein erster Ehemann hat es von seiner Mutter geerbt.“
Was? Ihr erster Ehemann? Cole wollte fast nachfragen, aber er kannte diese Frau ja kaum. Als er sie zum dritten Mal auf die Uhr schauen sah, fragte er sie, ob sie keine Zeit mehr habe.
Verlegen lachte sie auf. „Ich führe zwei Mal am Tag einen Hund aus. Heute bin ich ein bisschen spät dran, weil ich noch …“
Cole begriff. Sie hatte auf ihn gewartet.
„Weil ich noch warten wollte, bis es aufhört zu regnen.“
Es regnete tatsächlich nicht mehr. Zwischen den dunklen Wolken zeigten sich ein paar rötliche Sonnenstrahlen.
„Dann sollte ich Sie jetzt besser allein lassen. Ich muss auch noch ein paar Dinge erledigen, wenn ich länger hier in der Gegend bleibe.“ Die Frau schaute ihn so hoffnungsvoll an, dass Cole sich am liebsten geohrfeigt hätte. Sie hatten schließlich noch überhaupt keine Vereinbarungen getroffen.
„Wirklich? Sie bleiben? Wie gesagt, wenn das hier nicht klappt, dann sitze ich da mit einer Garage voller Regale und einem Gästezimmer voller Taschenbücher.“
„Zwei Punkte müssen wir noch klären: den Zeitplan und den Preis.“
Mühsam dämpfte Marty ihre Hoffnung. „Wann können Sie mir denn einen Kostenvoranschlag machen?“
Wenn ich nicht aufpasse, dann lasse ich mich durch diese grauen Augen zu einer Entscheidung drängen, dachte Cole. „Wie wär’s, wenn wir beide eine Nacht darüber schlafen und ich gleich morgen früh mit einem Angebot zu Ihnen komme? Wenn wir uns einig werden, könnte ich sofort anfangen. Eigentlich müsste das alles zu schaffen sein, kommt ein bisschen darauf an, wie viel Zeit Sie anschließend noch benötigen, wenn ich mit meiner Arbeit fertig bin.“
Sie standen beide auf. Cole fand, dass sie mit ihren ausdrucksvollen Augen und der hellen Haut sehr zerbrechlich wirkte, obwohl sie bestimmt alles andere als zerbrechlich war.
„Kommen Sie zum Frühstück“, schlug sie vor. „Sie sind doch nicht Vegetarier oder Veganer oder so?“
„Im Grunde bin ich überhaupt nicht sonderlich religiös“, antwortete er mit tiefer Stimme und erntete dadurch ein Lachen von Marty. Fast hätte er auch gelacht, doch er beherrschte sich und lächelte nur leicht.
Sie vereinbarten eine Zeit, und Marty begleitete ihn noch zur Tür.
Auf dem Weg zum Wagen beschloss Cole, am Abend ausgiebig darüber nachzudenken, was er mit seiner Zukunft anfangen sollte. Für den Ruhestand war er entschieden zu jung, aber was er mit dem Rest seines Lebens machen sollte, konnte er beim besten Willen nicht sagen.
Marty stand an der Haustür und blickte dem faszinierendsten Mann nach, der ihr seit Jahren begegnet war. Mit großen Schritten ging er zum Auto. Marty seufzte. Obwohl er nicht im klassischen Sinn gut aussah, wirkte er unglaublich attraktiv. Lag es an seiner Art, sich zu bewegen? Oder daran, wie er …
Vielleicht hatte Sasha ja recht und ihr fehlte lediglich guter Sex.
Sobald Marty die Tür des Zwingers öffnete, stürzte Mutt sich begeistert auf sie. Eigentlich gehörte er den Hallets, die ein paar Blocks weiter in dem Viertel wohnten, das in den Siebzigern langsam um das alte Haus von Alans Mutter herum entstanden war. Die Hallets waren gerade für zwei Wochen auf einer Kreuzfahrt, und Marty bekam Geld dafür, dass sie Mutt zwei Mal am Tag ausführte. Der Zwinger im Tierheim reichte für den riesigen zotteligen Hund kaum aus, der aussah wie eine Mischung aus Bernhardiner und Shetlandpony.
„Langsam, Kumpel, geh von meinem Fuß runter.“ Marty schaffte es, den Hund am Halsband zu packen, während er sich alle Mühe gab, sie umzuwerfen. Sobald er sie entdeckt hatte, hatte er laut zu bellen angefangen und hörte nicht wieder auf, bis Marty die Zwingertür öffnete. Dann riss er sie fast um, weil er es nicht erwarten konnte, ins Freie zu gelangen.
Marty führte ihn wie vereinbart eine halbe Stunde lang spazieren. Keine Minute weniger, aber auch keine Minute länger. Jedenfalls heute nicht, denn um sechs Uhr musste sie unbedingt zurück sein, weil das Tierheim dann schloss. Es musste doch auch einfachere Wege geben, Geld zu verdienen. Leider wurden hier in Muddy Landing die meisten Jobs vom Vater an den Sohn vererbt, und abgesehen von Tätigkeiten wie
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