JULIA COLLECTION Band 20
wie der Mann aussieht?“
„Eigentlich gar keine. Wir dachten nur, dass er doch eine ganze Zeit hier verbringen wird, wenn er dein oberes Stockwerk völlig umbaut. Da hat er vielleicht Lust, abends etwas zu unternehmen.“
Entnervt seufzte Marty auf. „Du erträgst einfach die Vorstellung nicht, dass es tatsächlich irgendwo eine Frau geben könnte, die sich auch ohne Mann gut zurechtfindet. Ist dir jemals der Gedanke gekommen, dass es auch Menschen geben kann, die mit ihrem Dasein als Single zufrieden sind?“
Die rothaarige Innenarchitektin gab sich betont unschuldig. „Du tust ja gerade so, als hättest du beim Verkuppeln niemals mitgemacht. Was war denn mit Clarice und Eddie? Und mit Sadie Glover von der Eisdiele und …“
„Hier, iss was und sei still.“ Marty schenkte Kaffee ein und gab entrahmte Milch dazu. „Diät-Sahne“, so nannte Sasha es immer. „Mutt wartet, also beeil dich.“
„Dieses Vieh. Hast du eigentlich auch so ein Tütchen dabei, falls er sein Geschäft in irgendeinem Vorgarten verrichtet?“
Marty verdrehte die Augen. „Sasha, ich muss mich wirklich beeilen, und wenn ihr jetzt anfangt, eure Spielchen mit meinem Bautischler zu treiben, dann verjagt ihr ihn am Ende noch. Also hör auf damit, okay? Warte zumindest so lange, bis er hier die Arbeit für mich erledigt hat.“
Sasha leckte die Zuckerglasur von einem Doughnut. „Ich denke doch nur an die arme einsame Lily. Neulich habe ich sie zufällig im Postamt getroffen, und da hat sie beiläufig erwähnt, dass sie seit letztem Sommer kein Rendezvous mehr hatte.“
„Beiläufig erwähnt? Ich wette, du hast sie so lange gelöchert, bis sie es endlich gestanden hat.“
„Würde ich jemals so etwas tun? Jedenfalls gehen uns allmählich die männlichen Singles aus, und da dachte ich an deinen neuen Tischler. Und? Wie ist er so? Faylene sagt, er sieht großartig aus.“
„Er hat Dreadlocks und lange Koteletten, trägt ein altes Designer-T-Shirt und Jeans und hat makellos gepflegte Hände. Also kauft er seine Sachen anscheinend auf dem Flohmarkt und stiehlt sich sein Geld zusammen, anstatt zu arbeiten.“
„Du übertreibst.“
„Möglicherweise ein bisschen. Sasha, bitte lass meinen Handwerker in Frieden. Er ist meine letzte Chance.“
„Kein Problem, Liebes. Während der Arbeitszeit gehört er ganz allein dir. Sagtest du nicht, er sei groß?“
„Sagen wir mal, ein bisschen größer als du.“
„Das ist jeder, der älter ist als zwölf. Sieht er gut aus?“ Sasha wackelte mit den Schultern, und ihr üppiger Busen geriet in Schwingung. „Faylene sagt …“ Anscheinend wartete Marty mit der Antwort eine Sekunde zu lange, denn Sasha schlug mit der Faust auf den Tisch. „Gib’s zu, er sieht gut aus und du willst ihn für dich. Deshalb möchtest du auch nicht, dass Lily ihn zu Gesicht bekommt, bis du Zeit genug hattest, ihn zu beeindrucken.“
„Könntest du bitte mal damit aufhören? So ist das doch gar nicht. Er kommt heute Morgen, um mir einen Kostenvoranschlag zu unterbreiten, aber vorher muss ich noch Mutt ausführen. Also geh bitte, damit ich auch loskann. Fünf Minuten, mehr nicht.“
Sasha lächelte verständnisvoll, und ihre Augen blitzten wie Edelsteine. Heute schimmerten sie hellblau, an anderen Tagen grünlich oder türkisfarben.
Marty dagegen war morgens schon froh, wenn sie mit der Zahnbürste den Mund fand. Selbst ausgiebiges Duschen machte sie nicht munterer. Früher hatte sie noch die halbe Nacht lesen können und war am nächsten Morgen trotzdem voller Energie aufgewacht.
„Lass ihn wenigstens erst bei mir anbeißen, damit er für mich arbeitet. Anschließend könnt Faylene und du ihn haben.“
„Einverstanden. Du bekommst ihn während der Arbeitszeit, aber den Rest von ihm bekommen Faylene und ich für Lily. Sie braucht dringend ein bisschen Entspannung, bevor wieder alle ihre Mandanten den Jahresabschluss wollen. Wir haben es schon mit ihr und Egbert versucht, aber das hat nicht geklappt.“
Mitten im Gähnen musste Marty lachen und drängte ihre Freundin zur Haustür. „Wieso denn nicht? Das verstehe ich nicht.“
„Wenn du für 110 Volt ausgelegt bist, solltest du nicht mit 220 Volt herumspielen. Das habe ich von meinem zweiten Ehemann, der war Elektroingenieur.“
„War der zweite nicht der Betrüger?“
„Betrüger sind sie doch alle“, erwiderte Sasha heiter über die Schulter hinweg.
Marty sah ihrer Freundin nach, die über den Pflasterweg eilte und nicht einmal hinsah, wohin
Weitere Kostenlose Bücher