JULIA COLLECTION Band 20
bin aus einem 5-Zimmer-Palast mit vier Bädern auf ein kleines Boot gezogen, dachte Cole.
Bevor er die Tochter seines Chefs geheiratet hatte und dafür in ein Eckbüro befördert worden war, wo er Tag für Tag am Schreibtisch festgenagelt war, hatte Cole so ziemlich jede Arbeit auf dem Bau gemacht. Und auf einer Schiffswerft hatte er als Schüler seinen ersten Sommerjob bekommen.
Allerdings waren Jahre vergangen, in denen er überhaupt nicht mehr gezimmert und getischlert hatte, bis er neulich Bob Ed bei seinen Fenstern geholfen hatte. Abgesehen von den Arbeiten an der „Time Out“, seinem Boot.
Vielleicht war das alles hier ein Fehler? Hätte er weiterfahren und noch mehr Zeit verstreichen lassen sollen? Gegen gerissene Frauen der Oberschicht, die Sexualität wie eine Art Zahlungsmittel nutzten, war er ein für alle Mal immun, aber hier war er einer Schönheit begegnet, die keinen Wert auf Äußerlichkeiten legte. Gegen diese natürliche Schönheit hatte er vielleicht nicht genug Widerstandskraft.
Die nächsten Stunden vergingen wie im Flug, während Cole Maß nahm und markierte und sägte. Hin und wieder jedoch schweiften seine Gedanken von seiner Arbeit ab. Seltsam, wie schnell diese Frau ihm vertraut geworden war, nachdem er gestern diese Beinahe-Katastrophe in ihrer Küche miterlebt hatte. Marty war intelligent, ohne damit zu prahlen, und ihren kleinen Strichmännchen nach zu urteilen, besaß sie auch eine Menge Humor. Noch nie war ihm aufgefallen, wie erregend diese Eigenschaften bei einer Frau sein konnten. Wenn man mit einer Frau ein paar Mal gemeinsam gelacht hatte, stellte sich unweigerlich die Frage, was man sonst noch gemeinsam tun konnte. Fast kam es Cole vor, als sei er schon seit Jahren mit Marty befreundet, habe sie aber erst kürzlich richtig kennengelernt.
Als Marty Cole gegen Mittag die Treppe herunterkommen hörte, hatte sie bereits einen Teller mit Sandwiches, einen Krug Eistee und frischen Kaffee vorbereitet. Soweit sie wusste, hatte er sich nichts zum Lunch mitgebracht. Wenn er jetzt erst losfuhr, um sich irgendwo einen Burger zu kaufen, dann ging das nur von der knappen Zeit ab, die Marty noch bis Mitte März blieb. Und sie wollte seine Energie auch voll und ganz ausnutzen.
Bevor sie ihre Fantasie zügeln konnte, kamen ihr unweigerlich Bilder in den Kopf, in welcher Weise Cole ihr noch behilflich sein konnte. Sie stöhnte auf. Offensichtlich fehlte in ihrem Leben tatsächlich etwas.
Als sie ihm im Flur begegnete, wich sie seinem Blick aus, weil sie immer noch leicht verstimmt darüber war, dass er ihr praktisch verbot, mit ihm zusammenzuarbeiten. „Lunch steht in der Küche auf dem Tisch. Wenn es Sie nicht allzu sehr stört, würde ich gern nach oben gehen und ein bisschen sauber machen, während Sie essen.“
Sollte er sie ruhig als Putzteufel einstufen. Dadurch hatte sie wenigstens eine Ausrede, um ihm nicht am Tisch gegenüberzusitzen und in diese wundervollen Augen und auf diesen sinnlichen Mund zu starren.
„Tut mir leid, wenn ich ein bisschen barsch war, okay?“ Er lächelte zaghaft. „Ich wollte Sie nicht kränken.“
„Barsch? Überhaupt nicht.“ Sie winkte ab. „Sie haben Ihren Standpunkt sehr deutlich gemacht, und glauben Sie mir, ich kann das verstehen. Hätte ich mir von jeder Aushilfe, die ich jemals in meinem Laden eingestellt habe, erzählen lassen, wie ich mein Geschäft zu führen habe, dann wäre ich mittlerweile pleite.“ Tja, das war sie ja auch. „Sie wissen schon, wie ich das meine“, fügte sie unwillig hinzu.
Als sie oben an der Treppe stand, verflog ihr Ärger schlagartig beim Anblick des Chaos. Von einer Wand standen nur noch die Stützbalken, und alle Oberflächen waren mit einer Staubschicht überzogen.
Mach schnell sauber, bevor es jemand sieht!, schoss es ihr durch den Kopf. Plötzlich fühlte sie sich wieder als Kind, das verzweifelt versuchte, sich perfekt zu benehmen, damit jemand es so sehr mochte, dass er es adoptierte. Irgendwo musste es doch ein nettes, liebevolles Paar geben, dem auffiel, wie ordentlich Marty ihre wenigen Habseligkeiten sortiert hatte und wie perfekt sie jeden Morgen ihr Bett machte. Irgendjemand würde bemerken, dass dieses schlaksige Mädchen klug, hübsch und gehorsam war und eine perfekte Tochter abgeben würde.
Marty blinzelte und kehrte in die Gegenwart zurück. Bis vor wenigen Stunden noch war dies ihre hübsche obere Etage gewesen. Sie hatte sich so sehr auf das Endergebnis konzentriert, dass sie verdrängt
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