JULIA COLLECTION Band 20
hatte, was zwischen dem Vorher und dem Nachher lag.
Okay, dann würde sie sich eben jetzt um das Zwischendurch kümmern.
Sie nahm einen der Müllbeutel und begann, die großen Putzbrocken einzusammeln. Gleichzeitig fragte sie sich, ob sie lieber wischen oder saugen sollte. War es überhaupt sicher, wenn sie den Staubsauger hier in der Steckdose anschloss? Die Dose hing an den Drähten lose aus der Wand.
Das waren mal ihre schönen gelben Wände gewesen. Hier hatte ein kleiner Tisch gestanden, und an der Wand hatten Bilder gehangen. Der Tisch war schon vor langer Zeit verschwunden. Beau hatte ihn ihr im ersten Ehejahr geschenkt und damit geprahlt, das sei nur ein winziger Teil seines Erbes. Er hatte Marty nur ein einziges Mal ins Haus seiner Eltern mitgenommen. Der Empfang dort war so kühl gewesen, dass es Marty eingeschüchtert hatte. Auf dem Rückweg nach Muddy Landing hatte Beau ihr erklärt, dass alles, das Haus, die Möbel und alle Gemälde, zum Erbteil seiner Familie gehörten. Für ihn war selbstverständlich, dass das alles nicht zum gemeinsamen Ehevermögen gehörte, selbst wenn er Marty etwas davon zum Geburtstag oder zu Weihnachten schenkte.
Ihr erster Ehemann hatte ihr wenigstens dieses Haus hinterlassen. Alan hatte es ihr kurz nach der Hochzeit überschrieben, fast so, als habe er gewusst, dass er nur noch wenige Jahre zu leben hatte. Alan war nicht sonderlich anspruchsvoll gewesen, aber Marty hatte sich alle Mühe gegeben, neben ihrer Arbeit im Buchladen für ihn die perfekte Ehefrau zu sein.
Doch dann war er krank geworden, und die folgenden Jahre hatte Marty wie in einem Nebel erlebt. Als die Rechnungen sich stapelten, hatte sie es sich nicht mehr leisten können, den Buchladen zu schließen. Stattdessen hatte sie jemanden eingestellt, der sich um das Geschäft kümmerte, damit sie zu Hause bei Alan bleiben konnte.
Nach seinem Tod hatte sie sich gezwungen, die Trauer zu überwinden und das zu retten, was von ihrem Laden noch zu retten war. Nach und nach hatte sie in den Folgejahren angefangen, schwarze Zahlen zu schreiben, doch dann kam die Wirtschaftskrise. Die Miete war erhöht worden, und parallel dazu kam der Buchverkauf über das Internet auf. Das war der Anfang vom Ende gewesen.
Und wenn ihr jetziger Plan nicht funktionierte, konnte sie wieder ganz von vorn anfangen.
Sie raffte sich auf, stellte den Staubsauger an, und als nichts explodierte, fing sie an zu saugen. Gleich beim ersten Schritt zurück stieß sie gestapelte Vierkanthölzer um. „Mist!“
Cole hörte, wie oben der Staubsauger an- und gleich wieder ausging. Er hörte, wie etwas umfiel, vernahm Martys Fluch und schüttelte den Kopf. Was war das bloß für eine Frau?
Ein paar Minuten später begegneten sie sich wieder auf der Treppe, und Cole trat zur Seite, um Marty mit dem prall gefüllten Müllsack durchzulassen. „Die Lunchreste habe ich in den Kühlschrank gestellt.“ Belustigt betrachtete er Martys trotzig vorgerecktes Kinn. Ihre makellose Haut wirkte so zart, und unwillkürlich fragte er sich, wie sie sich wohl anfühlen mochte. „Danke fürs Essen. Ich habe nicht damit gerechnet, dass die Verpflegung inklusive ist.“
„Kein Problem“, erwiderte sie unbeschwert, setzte den Sack am Fuß der Treppe ab und rieb sich den Rücken.
„Haben Sie Schmerzen?“
„Nein, überhaupt nicht.“ Außer, dass ich friere, weil ich vorhin die Heizung abgestellt habe, als Sie die Haustür offen gelassen haben, um Werkzeug und Material ins Haus zu bringen, fügte sie in Gedanken hinzu.
Sie sah ihm nach, als er die Treppe hinaufging. Seine Füße machten kaum ein Geräusch auf den alten Eichenstufen. Diese Schultern wirkten wie geschaffen zum Tragen langer Baumstämme, und diese langen muskulösen Beine …
Schluss damit und zurück an die Arbeit, sagte sie sich.
Gerade als sie den Müllsack nach draußen schleppen wollte, klingelte das Telefon. Einen Augenblick zögerte Marty, aber im Moment war ihr nicht nach Telefonieren zumute.
„Soll ich rangehen?“, rief Cole beim fünften Klingeln.
Wahrscheinlich wieder so eine blöde Marketing-Umfrage. „Wie Sie wollen!“, rief sie zurück. Vielleicht war es auch Sasha, die über Faylenes neue Kandidaten von der Jacht sprechen wollte. Habe ich nicht schon genug um die Ohren?, fragte Marty sich. Im Grunde kämpfte sie ständig gegen Panikattacken an, weil ihr ein sexy Bautischler gerade das halbe Haus einriss, wobei die Chancen, dass sich das alles auszahlte, nicht gerade gut
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