Julia Collection Band 21
ihn schamlos belogen hatte, um erwachsener und weltgewandter zu wirken. In den folgenden Tagen wuchs ihre Verunsicherung. Christien war stiller und zurückhaltender geworden, was in ihr den Verdacht weckte, dass er sich allmählich mit ihr langweilte.
„Ich glaube, er hat genug von mir“, gestand sie Solange, als sie die ältere Frau zum zweiten Mal in deren Villa besuchte.
„Christien ist ein sehr ernster und besonnener Mensch“, tröstete sie seine Großtante. „Vielschichtige Männer sind nicht leicht zu verstehen, besonders wenn sie jung und hitzköpfig sind.“
Als wenige Tage später die peinliche Wahrheit über Tabbys Alter „versehentlich“ von Veronique ausgeplaudert wurde, geriet Christien außer sich vor Zorn. Am demütigendsten war es für sie jedoch, als Christien ohne Vorwarnung im Bauernhaus erschien, um endlich ihre Eltern kennenzulernen. Lisa schlenderte barbusig vom Pool herbei, um mit ihm zu flirten, woraufhin ein lautstarker Streit zwischen Tabbys betrunkenem Vater und ihrer Stiefmutter entbrannte. Christien blieb bewundernswert höflich und gelassen. Tabby spürte allerdings genau, wie angewidert er war, und schämte sich für ihre Familie.
„Kannst du mir denn nicht verzeihen?“, fragte sie leise, als er in seinen Wagen stieg.
„Es ist alles zu schnell gegangen. Ich muss nachdenken.“ Er küsste sie kurz und hart auf die Lippen. „Und zwar ohne dich.“
„Glaub ja nicht, dass ich hier herumsitze und auf dich warte“, warnte sie ihn mit bebender Stimme. Seine Kälte erschreckte sie.
Christien schüttelte den Kopf. „Du klingst so unreif. Ich kann nicht fassen, dass mir das nicht schon früher aufgefallen ist und mich erst jemand darauf aufmerksam machen musste.“
Er fuhr nach Paris und meldete sich nicht bei ihr. Veronique deutete an, dass er eine Versöhnung mit Eloise anstrebe, die den Großteil des Sommers in London gearbeitet hatte. Zutiefst verzweifelt über sein Schweigen, musste Tabby sich mit der Gesellschaft ihrer Freundinnen begnügen.
Sie hätte sich niemals träumen lassen, dass ihre nächste Begegnung mit Christien im Warteraum eines Krankenhauses stattfinden würde – unmittelbar nach einer furchtbaren Tragödie, die keinen Raum für persönliche Gefühle oder Gespräche ließ …
Mit einem Handtuch um die schmalen Hüften, das Haar noch feucht von der Dusche, stand Christien vor dem hohen Schlafzimmerfenster, das einen weiten Blick über den prachtvollen Park von Château Duvernay bot.
Die Gewissheit, dass Tabby sich auf dem Anwesen seiner Vorfahren befand, machte ihn rastlos. Als er an ihren unrasierten Besucher Sean dachte, dämmerte ihm, dass er einfach verschwunden war und sie mit einem fremden Mann allein gelassen hatte. Mit einem fremden Mann, der sie unverhohlen bewunderte. Mit einem Mann, der mit einem Werkzeugkasten Besuche abstattete, konnte doch etwas nicht stimmen, oder? Manche Männer würden Tabbys angeborene Freundlichkeit womöglich als Einladung auffassen. Mon Dieu , warum hatte er nicht gleich daran gedacht, dass sie vielleicht in Gefahr schwebte! Er hatte sie der Gnade eines zwielichtigen Handwerkers ausgeliefert, der genauso gut ein Irrer sein konnte!
Christien warf das Handtuch beiseite und zog sich an.
Sowohl im oberen Stockwerk als auch im Erdgeschoss des Cottages brannte Licht. Christien stieg aus dem Wagen und ging den Pfad entlang. Neben einem knorrigen Baum blieb er stehen und griff in ein Astloch. Er zog einen staubigen Schlüssel heraus, den er nach kurzem Überlegen wieder an seinem Platz deponierte.
Die Lippen fest zusammengepresst, betätigte er den Türklopfer …
4. KAPITEL
Als es an der Tür klopfte, schreckte Tabby aus dem Korbstuhl hoch, den sie aus dem Wintergarten herübergebracht hatte.
Wer zum Teufel will mich nach Mitternacht besuchen?, fragte sie sich schlaftrunken. Sollte sie so spät überhaupt noch öffnen? Da sie nur ein leichtes Nachthemd trug, hüllte sie sich in die bunte Häkeldecke, die sie über den Sessel drapiert hatte.
Vor der Tür stand Christien, das schwarze Haar vom Wind zerzaust. Ihr Herz pochte, als wollte es zerspringen, während sie ihn mit großen Augen anschaute.
„Warum bist du zurückgekommen?“, flüsterte sie.
Weil ich mich nicht von dir fernhalten konnte. Er schloss die Tür hinter sich, dann löste er die Decke aus Tabbys Griff. Wortlos streifte er ihr das Tuch von den Schultern.
„Christien …?“, fragte sie nervös.
Angesichts ihrer verführerischen Kurven packte
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