Julia Collection Band 23
Moment war sie damit beschäftigt, einen Arm am Ende der Schulter zu befestigen – jedenfalls sah es danach aus. Sie warf einen Blick auf seine Schulter, dann beschäftigte sie sich wieder mit der Skulptur.
Lachlan ließ sie nicht aus den Augen. Wenn sie sich das Recht nahm, ihn so genau zu betrachten, dann sah er nicht ein, warum er es nicht auch tun sollte. Und die Konzentration, mit der sie arbeitete, war etwas, das er überhaupt nicht erwartet hatte.
„Wann hast du damit angefangen?“, fragte er abrupt.
Bei seinen Worten erschrak sie und ließ den Tonklumpen in ihrer Hand auf den Boden fallen. Sie bückte sich danach und hob ihn auf. „Womit?“
„Mit dem Bildhauern.“
„Ich habe dir doch gesagt, das ist mein erster Versuch.“
„Und die Sachen für Carins Boutique? Das Ding unten am Strand?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Das habe ich schon immer gemacht.“
„Hast du nie daran gedacht, Unterricht zu nehmen?“
Sie schüttelte den Kopf.
„Warum nicht?“
„Weil es nicht ging. Mangel an Gelegenheit – und an Geld.“
„Und ein Stipendium?“
„Das bekommt man nicht umsonst, man braucht eine Mappe mit den Sachen, die man gemacht hat. Um zu zeigen, was man kann.“
Daran hatte er nicht gedacht – wie sollte er auch? Er war in ganz anderen Verhältnissen aufgewachsen, hatte nie ein Stipendium gebraucht. Sein Vater war Arzt, seine Mutter Lehrerin, und für Hughs, Mollys oder seine Ausbildung hatte es weder an Mitteln noch an Ermutigung gefehlt. Sie waren alle drei zur Uni gegangen und hatten beruflich Karriere gemacht. Nichts war ihnen in den Weg gelegt worden.
„Du hast dir also alles selber beigebracht“, sagte er. Er dachte nicht mehr daran, dass er nichts anhatte, so vertieft war er in das Gespräch. Nur wenn er die Brise auf seiner Haut spürte, fiel es ihm wieder ein.
„Ich bin dabei“, verbesserte sie. Sie betrachtete die Schulter, an der sie arbeitete, und biss sich auf die Lippe.
„Und du hast noch nie mit Ton gearbeitet?“
„Nie, von ein paar lumpigen Pelikanen abgesehen. Sonst verwende ich nur Metall und das, was ich am Strand finde.“
„Müll.“ Herausfordernd sah er sie an.
„Leute, die etwas davon verstehen, sprechen von umweltfreundlicher Kunst und Nutzung lokaler Ressourcen“, korrigierte sie ihn ein wenig von oben herab.
„Tatsächlich.“ Er lächelte über die hochtrabenden Worte. „Und wovon sprechen diese Spezialisten sonst noch?“
Ihre Antwort überraschte ihn. Sie hatte anscheinend eine Menge zu dem Thema gelesen und sprach, zunächst zögernd, dann mit zunehmender Sicherheit, über Theorien und Ansichten. Lachlan sagte sich widerstrebend, dass der Strandkönig vielleicht doch mehr war als nur Schrott und die Absicht, ihn zu ärgern.
Ihr Interesse war offensichtlich und ihr Wissen trotz mangelnder Schulung beträchtlich. Fasziniert sah er zu, wie die Figur auf dem Ständer unter ihren Händen immer deutlicher die Form eines männlichen Körpers annahm.
Als sein Handy klingelte, schreckten sie beide auf. Automatisch griff er nach der Hosentasche, bevor ihm einfiel, dass er keine Hose anhatte. Auch ihr wurde seine Nacktheit wieder bewusst, und sie errötete.
„Einen Moment“, stammelte sie. Sie lief ins Bad und kam mit dem Handy zurück.
Er riss es ihr aus der tonverschmierten Hand und drückte auf die Antworttaste. „McGillivray.“
„Wo um alles in der Welt sind Sie?“, fragte Suzette.
„Warum?“
„Lord Grantham wartet seit einer halben Stunde.“
„Lord Grantham? Sein Termin ist doch erst um neun.“
„Jetzt ist es zwanzig nach.“
„ Was?“ Unwillkürlich schaute er auf sein Handgelenk – und fluchte. Die Armbanduhr lag auch im Badezimmer.
„Sind Sie noch im Bett?“, wollte seine Assistentin wissen. „Ich habe Maddie gesagt, sie soll bei Ihnen anklopfen, aber sie behauptet, es antworte niemand.“
„Nein, ich bin nicht im Bett. Ich … hatte einen Termin. In zwanzig Minuten bin ich im Hotel. Beschäftigen Sie Lord Grantham in der Zwischenzeit.“ Er stellte das Handy ab und sprang vom Podium. „Ich muss weg.“
„Natürlich“, erwiderte sie hastig. „Ich hatte keine Ahnung, dass es so spät ist.“
Ohne zu antworten, lief er ins Bad und zog sich in Windeseile an. Seine Absicht war gewesen, Lord Grantham in lässig eleganter Aufmachung zu empfangen. So, wie er aussah, war eher von Nachlässigkeit die Rede – von Unpünktlichkeit ganz zu schweigen. Er schlüpfte in die Sandalen, riss die Tür auf und
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