Julia Collection Band 26
müden Knochen kann ich nicht so lange still sitzen.“
„Aber Vic, was ist mit Tim? Warum können Sie mir nichts über ihn sagen?“
„Wenn Kane wollte, dass Sie etwas erfahren …“, begann er und verstummte mitten im Satz.
„Soll das heißen, dass Kane doch mehr weiß?“
„Vertrauen Sie ihm. Hören Sie, Miss, ich muss jetzt gehen. Tut mir leid, dass ich Ihnen nicht helfen kann. Und vielen Dank für den Tee.“
Er hatte es auf einmal sehr eilig. Also hatte sie ihn verscheucht. Er ließ sogar ein angebissenes Plätzchen zurück.
Charity sah ihm nach. Warum diese Geheimniskrämerei, wenn es Tim gut ging? Warum verriet ihr niemand, wo sich ihr Bruder aufhielt? Und warum hatte er sich nicht bei seinen Angehörigen gemeldet?
Nachdem sie das Geschirr weggeräumt hatte, ging sie in die Waschküche, und während sie dort arbeitete, spielte sie in Gedanken alle Möglichkeiten durch.
Tat Tim vielleicht etwas, von dem sie und ihr Vater nichts wissen sollten? Sie dachte an Marsha. Hatte Tim eine leidenschaftliche Affäre? Dazu war er doch viel zu jung.
Es war bereits unerträglich heiß, als sie die Wäsche auf die Leine hängte. Charity war sehr dankbar für den Schutz, den Annies breitkrempiger Hut und das langärmelige Hemd boten. Trotzdem schwitzte sie und konnte sich nicht vorstellen, wie Kane den ganzen Tag in Hitze und Staub zu verbringen, Vieh einzufangen und Zäune zu reparieren.
Nach dem Mittagessen stand sie an der Spüle und kümmerte sich um das wenige Geschirr, das sie benutzt hatte. Eine Fliege, die summend immer wieder gegen das Fliegengitter stieß, nahm sie kaum wahr, so fasziniert betrachtete sie das Hitzeflimmern, das über den Koppeln schimmerte und dem blaugrünen Buschwerk dahinter.
Sie gewöhnte sich bereits an die sonnenverbrannte Landschaft. Wahrscheinlich würde sie mit der Zeit viel über diese Gegend herausfinden, was ihr derzeit noch verborgen blieb.
Nach einer Weile wurde sie auf ein Dröhnen aufmerksam, das sich rasch näherte. Kane kam auf dem Motorrad zurück, und ihr wurde heiß, als er plötzlich auftauchte und unter einer Windmühle anhielt.
Roo lief Kane entgegen, der abstieg und den Hund streichelte. Kane zog die Stiefel aus und betätigte einen Hebel an der Windmühle. Wasser floss aus einem Rohr über ihm.
Charity konnte den Blick nicht abwenden, während Kane sich das Wasser über Kopf und Oberkörper laufen ließ.
Gestern war sie ganz aufgeregt gewesen, als sie ihn ohne Hemd gesehen hatte, doch das war nicht annähernd so atemberaubend, wie Kane in einem nassen Hemd zu sehen, das sich um seine breiten Schultern und schmalen Hüften schmiegte. Und nun war auch noch die Jeans nass!
Er sah einfach hinreißend aus. Die griechischen Statuen im British Museum waren nichts dagegen. Und es wurde sogar noch besser. Kane zog das Hemd aus und wusch es unter dem Wasserstrahl aus, und Charity konnte den Blick nicht von dem Muskelspiel unter der sonnengebräunten, nassen Haut abwenden.
Roo umtanzte bellend sein Herrchen. Kane füllte seinen Hut mit Wasser und ließ den Hund trinken. Charity war froh, dass niemand in der Nähe war, der sie beim Gaffen ertappte. Andererseits konnte man von keiner Frau erwarten, sich von diesem Anblick abzuwenden.
Schließlich drehte Kane das Wasser wieder ab und kam mit Hemd, Stiefeln und Hut in den Händen zum Haus. Auf der hinteren Veranda hängte er das Hemd übers Geländer. Charity stand noch immer am Fenster und drückte ein Geschirrtuch an die Brust.
„He, Chaz!“, rief er. „Haben Sie vielleicht was Kaltes zu trinken?“
Hatte er sie doch noch erwischt? Schrecklich verlegen eilte sie zum Kühlschrank und danach mit einem Tablett, bestückt mit einem Glas und einem Behälter Eiswasser mit Zitronenscheiben, auf die Veranda. „Ist Wasser in Ordnung, oder möchten Sie lieber Bier haben?“, fragte sie.
„Nein, Wasser ist sehr gut“, versicherte er lächelnd.
Sie stellte das Tablett neben ihn auf die oberste Stufe und wich gleich wieder zurück. Hinter dem Rücken drückte sie Daumen und Zeigefinger zusammen, um die Blutung des Schnitts zu stoppen, den sie sich beim unachtsamen Aufschneiden der Zitrone zugezogen hatte.
Kane setzte sich auf die Stufe und trank direkt aus dem Behälter. Charity beobachtete, wie sich dabei sein Adamsapfel auf und ab bewegte, und ihr wurde noch heißer.
Vergeblich versuchte sie, diesen Rinderzüchter aus dem Outback nicht mit den netten, blassen Männern zu vergleichen, mit denen sie sich getroffen
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