Julia Collection Band 26
Augen. „Das ist gleich vorbei.“
„Wie wäre es mit einer Tasse Tee“, schlug er vor, weil die meisten Frauen im Outback nach diesem Mittel griffen, wenn es ihnen nicht gut ging.
„Ja, danke, das wäre schön. Ich wasche mir nur das Gesicht und komme gleich wieder.“
Gefasst kehrte Charity in die Küche zurück. Im Badezimmerspiegel hatte sie allerdings gesehen, wie blass und verweint sie aussah – und das noch dazu vor Kane.
Jetzt saßen sie am Küchentisch. Die große braune Teekanne und zwei Tassen standen zwischen ihnen. Charity betrachtete Kanes von der harten Arbeit kräftigen Hände, mit denen er die Teekanne beim Einschenken hielt, und dachte daran zurück, wie sanft er sie vorhin berührt hatte.
„Es tut mir schrecklich leid, dass ich Ihnen etwas vorgeheult habe“, sagte sie und griff zur Tasse. „Ich weiß gar nicht, was mit mir los war.“
„Das ist doch leicht zu erklären.“ Er rührte zwei Löffel Zucker in seinen Tee. „Sie haben sich lange um Ihren Vater und um Tim gekümmert. Das war für viele Jahre Ihre Aufgabe. Plötzlich finden Sie heraus, dass Tim sich um sich selbst kümmert und Ihr Vater eine Frau gefunden hat. Dadurch kommen Sie sich überflüssig vor. Das ist ein schwerer Schlag für Sie.“
„Dann ist mein Selbstwertgefühl vermutlich schwächer, als ich dachte.“
„Ich bin kein Psychologe, Chaz, aber Sie haben mir erzählt, Sie hätten sich völlig auf die Versorgung Ihrer Familie verlegt, um über den Tod Ihrer Mutter hinwegzukommen. Jetzt ist Ihnen diese Rolle plötzlich entzogen worden, und darum klafft eine große Lücke in Ihrem Leben. Darauf müssen Sie sich erst einstellen.“
„Ja, das ist es“, bestätigte sie leise.
Eine Weile tranken sie schweigend Tee. „Sie müssen es so sehen“, fuhr Kane dann fort, „dass Sie jetzt frei sind und zur Abwechslung einmal an sich selbst denken können.“
„Ja, so wird es wohl sein.“
„Sie könnten malen oder etwas anderes tun, das Ihnen Freude bereitet.“
„Ja“, erwiderte sie leise. Eigentlich sollte sie begeistert sein.
„Reid hat angerufen, während Sie im Bad waren.“
„Hat er Annie erreicht?“
„Ja, zum Glück.“
„Und wie geht es ihr?“
„Gut. Sie hat sich nicht klar ausgedrückt, was sie in Brisbane macht, aber sie hat Reid versichert, dass es ihr gut geht.“ Kane spielte mit seiner Tasse. „Reid hat auch einen Koch für uns gefunden.“
„Einen Koch?“
„Ja. Seiner Meinung nach haben wir uns viel zu sehr auf Annie verlassen und ihre Hilfe als selbstverständlich betrachtet.“
„Stimmt das?“
„Wahrscheinlich“, räumte er ein. „Sie muss ein wenig die Welt kennenlernen. Darum hat Reid für uns in Hughenden einen Kerl aufgetrieben, der schon seit dreißig Jahren oder länger für Viehtreiber und auf Farmen kocht. Er ist im Busch geradezu eine Legende geworden, und Reid hat ihm bei uns eine Stelle angeboten.“
„Aha.“
„Was ist denn? Ich dachte, Sie würden sich freuen.“
„Warum?“
„Aus den Gründen, über die wir soeben gesprochen haben. Sie sind frei und müssen nicht länger bleiben. Sie können das Star Valley verlassen. Die ganze Welt steht Ihnen offen, wie man so schön sagt.“
Charity blickte starr auf einen Riss in der Oberfläche des alten Küchentisches. Es war ja schön und gut, dass Kane ihr Vorschläge machte, doch dabei gab es ein Problem. Ein gewaltiges und unlösbares Problem.
Sie wollte die Welt gar nicht. In allererster Linie wünschte sie sich den Mann, der ihr am Tisch gegenübersaß und der sie wie einen wertvollen Schatz in den Armen gehalten hatte. Sie wollte den Mann, dessen Augen sie an den morgendlichen Himmel erinnerten und der sie mit einem einzigen Blick zum Dahinschmelzen brachte.
Das konnte sie ihm jedoch niemals verraten. Darum sagte sie bloß: „Ich bin jederzeit bereit, wenn Sie mich in die Stadt bringen wollen.“
Das war zwar das genaue Gegenteil dessen, was sie eigentlich wollte, aber sie beherrschte sich so gut, dass er nichts merkte.
Sein Gesicht war wie erstarrt, und er drehte schweigend die Tasse zwischen den Händen. Als er schließlich antwortete, sah er sie nicht an.
„In den nächsten Tagen muss ich Vic abholen. Dann kann ich Sie mitnehmen.“
9. KAPITEL
Kane wusste, dass er Charity nicht auf der Southern Cross halten konnte. Trotzdem half er ihr in den nächsten zwei Tagen nicht bei ihren Vorbereitungen zur Abreise. Dabei war es für ihn die reinste Qual, sie unter seinem Dach zu haben.
Tagsüber
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