Julia Collection Band 28
nicht länger auf die Baustelle mitnehmen. Dafür ist sie einfach zu lebhaft.“
„Ja, das ist eine gute Idee“, bestätigte Mia. „So gern ich sie bei mir habe …“
„Ich bin dir auch dankbar, aber du bist schließlich meine Sekretärin und nicht Jess’ Kindermädchen. Ich hätte eben nie gedacht, dass ein zweijähriges Kind schon so ein Wirbelwind sein kann.“
„Warte erst ab, bis sie drei wird.“
„Hilfe! Ich ahne schon, es wird noch schlimmer.“ Sam holte eine zerknitterte Visitenkarte hervor. „Ein Kunde hat mir eine gute Agentur genannt.“
„ Nannysource? “
„Ja, genau.“
„Die sind wirklich gut.“
Mias Zuversicht versüßte ihm ein wenig, dass sich eine Fremde um seine Tochter kümmern würde. „Ich werde mir für morgen Vormittag freinehmen und die Agentur aufsuchen. Vielleicht finden wir dort eine nette ältere Frau. Eine Art Grandma.“
Seine Tochter würde nie leibliche Großeltern haben. Die Mutter seiner verstorbenen Frau war alleinstehend gewesen und gestorben, als Jenny gerade die Highschool verließ, und er hatte seine leiblichen Eltern nie kennengelernt. Insofern war eine Ersatz-Großmutter für Jessica sicherlich nicht schlecht.
„Ja, eine nette alte Mary Poppins wäre genau richtig“, bekräftigte er seine eigene Idee.
„Du findest bestimmt die Richtige. Mach dir wegen der Baustelle keine Gedanken, und bleib fort, solange du willst. Die werden hier nicht mal merken, dass du nicht da bist.“
„Vielen Dank“, erwiderte Sam. „Genau solche Sätze will der Boss hören.“ Er warf einen Blick auf die Wanduhr. Wie lange dauerte denn das noch? Kurz nach fünf war er mit Jessie hergekommen, und jetzt war es schon nach sieben. „Ich hoffe nur …“
„Was denn?“, hakte Mia nach, als er schwieg.
„Ich hoffe, dass Jessie überhaupt eine andere Bezugsperson akzeptiert.“
„Jessie ist aufgeschlossener, als du denkst, mein Bester. Sie ist zwar noch klein, aber das heißt nicht, dass sie nicht auf andere zugehen kann.“
Sam war da nicht so sicher. Seit dem Brand war seine früher so fröhliche Tochter immer zurückhaltender geworden. Jessie hatte Angst vor Fremden und neuen ungewohnten Situationen. Das nagte an ihm, weil er schließlich an dem ganzen Unglück schuld war. Außer ihm wusste das jedoch niemand.
Am Abend des Feuers hatte er Arbeit vorgetäuscht, um dem wenig harmonischen Familienleben zu entkommen. Er hatte Jenny angelogen, als er sagte, er müsse dringend Überstunden machen. Wäre er an dem bewussten Abend wie ein anständiger Ehemann und Vater heimgekommen, hätte er Jenny vielleicht retten können.
Dazu kam, dass er fast schon erleichtert gewesen war, als er erfuhr, dass es Jessica und nicht Jenny war, die überlebt hatte. Natürlich hatte er seiner Frau nicht den Tod gewünscht, um Gottes willen, niemals, aber hätte er wählen müssen …
Was war er bloß für ein Ungeheuer!
Sicher, von der einstigen Liebe zwischen ihm und Jenny war nichts mehr übrig gewesen, doch darauf kam es nicht an. Seinem ärgsten Feind hätte er nicht gewünscht, wie Jenny zu sterben, schon gar nicht der Mutter seines Kindes. Diese Frau hatte ihr Leben geopfert, um das ihrer Tochter zu retten. Dafür würde er sie immer respektieren – und sich immer schuldig fühlen.
„Nun, ich muss auflegen“, sagte Mia und riss ihn aus seinem Gedanken.
„Warum? Was gibt es?“
„In den Nachrichten kommt gleich der Bericht über die Zwillinge, die sich wieder gefunden haben.“
„Was denn für Zwillinge?“, fragte er.
„Du hast wirklich von nichts eine Ahnung“, tadelte seine Sekretärin im Spaß. „Ich habe jetzt keine Zeit. Ruf mich morgen früh an, und sag mir, wie es Jessie geht.“
„Klar. Und, Mia? Es war wirklich nicht deine Schuld.“
„Danke, aber ich habe trotzdem ein schlechtes Gewissen“, erwiderte Mia.
„Willkommen im Klub.“
Sam schaltete das Handy aus und warf einen Blick zum Fernseher. Das Gerät war offenbar auf denselben Kanal eingestellt, den Mia sah, weil die blonde Ansagerin soeben von wieder vereinigten Zwillingen sprach. Wenn Sam schon nicht bei seiner Tochter sein durfte, konnte er auch fernsehen. Er griff zur Fernbedienung auf einem der freien Stühle und stellte den Ton lauter. Der Bericht handelte von einem Mann und einer Frau seines Alters, die bisher nichts voneinander gewusst hatten. Nach dem tödlichen Autounfall ihrer Mutter waren sie vom Portland General Hospital zur Adoption vermittelt worden. Durch einen Brand kurze Zeit
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