Julia Collection Band 28
sie ihn vorwurfsvoll an?
Sam schluckte heftig. „Was hältst du davon, wenn du eine Großmutter bekommst, die für dich Plätzchen backt und mit dir spielt und dir Geschichten vorliest?“
Jessica antwortete nicht. Schließlich fing sie mit dem Wort „Großmutter“ nichts an, sie konnte sich nichts darunter vorstellen.
„Daddy sucht für dich eine nette Grandma, die bei uns wohnt, einverstanden? Du wirst sie mögen, das verspreche ich dir.“
Noch immer keine Antwort.
„Ich habe dich lieb, Jessica“, beteuerte er heiser.
„Dich auch“, murmelte die Kleine, lehnte das Köpfchen zurück und schloss die Augen.
Sam zwang sich, auf die Straße zu achten und nicht daran zu denken, dass Jessica morgen die zweitgrößte Veränderung in ihrem Leben bevorstand. Und für alles trug er die Verantwortung. Wäre sein Leben anders verlaufen, wenn er einen Vater gehabt hätte, an dem er sich orientieren konnte? Er glaubte schon.
Seine Gedanken wanderten wieder zu Lissa und Adam und ihrem leiblichen Vater, einem Mann namens Jared Cambry. Blutsverwandtschaft hin oder her – dieser Mann war kein Vater, und diese völlig Fremden konnte Sam nie als seine Familie betrachten.
Es war nur gut, dass Adam Bartlett für den kleinen Jungen Knochenmark gespendet hatte. Sam jedenfalls hätte diesem Jared Cambry die Tür vor der Nase zugeschlagen, hätte der Mann ihn aufgesucht. Sofort meldete sich das schlechte Gewissen. Er warf wieder einen Blick auf Jessica und wusste, dass er als Vater alles tun würde, um ihr Leben zu retten. Daher durfte er Cambry nicht vorhalten, dass er seinen Sohn retten wollte. Trotzdem würde Sam dem Mann nie verzeihen, dass er sich nicht um seine Kinder gekümmert hatte. Nur gut, dass die kleine wieder vereinigte Familie keine Ahnung hatte, dass es Sam Lowery überhaupt gab.
Trotzdem – wie es wohl wäre, Geschwister zu haben?
Er hatte den Eindruck gewonnen, dass Adam und Lissa eng miteinander verbunden waren. Würden sie auch einen weiteren Bruder in ihre Herzen aufnehmen?
Er verbannte diese Gedankenspiele, die ohnehin zu nichts führten. Sam Lowery war ein Waisenkind – Punkt. Damit hatte er sich schon vor langer Zeit abgefunden.
Was seine Fähigkeiten als Vater anging, würde er vielleicht Fehler machen, aber stets dafür sorgen, dass Jessica sich nicht vernachlässigt fühlte. Er wollte als Vater so gut wie nur möglich sein – auch wenn das Debakel heute eher das Gegenteil vermuten ließ.
Erin O’Grady besuchte gern ihre Brüder, vor allem am Samstagvormittag, wenn sich sämtliche Familienmitglieder zum Brunch trafen. Mit dreiundzwanzig war sie das einzige Mitglied der Familie O’Grady, das noch unverheiratet war und keine eigenen Kinder hatte. Noch nicht! Sie war nämlich fest entschlossen, eine ganze Kinderschar in die Welt zu setzen, sobald sie sich in den Richtigen verliebte und heiratete.
Vorerst musste sie sich damit zufriedengeben, sich um ihre Nichten und Neffen zu kümmern, von denen sie dank ihrer fünf verheirateten Brüder jede Menge hatte.
An diesem Samstag lag Erin bei ihrem Bruder Mick im Wohnzimmer auf dem Fußboden und versuchte, zu Atem kommen, während Kinder auf ihr herumkletterten. Im Lauf der Jahre hatte sie zahlreiche blaue Flecken abbekommen, doch die nahm sie gern in Kauf, wenn sie dafür die Lieblingstante war.
Das Handy in ihrer Handtasche klingelte. Erin warf einen Blick zur Tasche, aber Neffe Jason hatte sie im Würgegriff. „Jase, ich muss ans Telefon.“
„Nein!“, rief er lachend. „Oder gibst du auf?“
„Jase, es ist wichtig.“
„Soll ich rangehen, Schwesterchen?“, fragte Mick, der ihr mit seinen fünfundzwanzig altersmäßig am nächsten war.
„Ja, bitte. Es könnte die Agentur sein.“
„Ich weiß nicht, ob das mit der Agentur wirklich gut ist“, meinte ihr zweitältester Bruder Patrick.
„Ich bin erwachsen, Pat“, erwiderte Erin finster, „und ich will als Kindermädchen arbeiten. Da spielt es keine Rolle, ob du das gut findest oder nicht.“
Patrick hob ahnend den Zeigefinger. „Du bist zwar erwachsen, aber du wirst immer unsere kleine Schwester bleiben. Du hast ja keine Ahnung, was einem alles zustoßen kann.“
Ihre Brüder Matthew und Miles nickten. Überbesorgte Brüder waren eine Katastrophe. Zum Glück war Eamon, der älteste, auf Geschäftsreise. Er war der schlimmste von allen. Erin liebte jeden von ihnen und genoss die große lärmende Familie, doch manchmal wurde es ihr lästig, ständig an die Leine gelegt zu
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