Julia Collection Band 51
unerwartet. Nick kam einen Schritt auf sie zu, die Stirn in tiefe Falten gelegt. „Rachel, ich will nicht, dass du davonläufst.“
Rachel stand stocksteif, die Arme an die Seiten gepresst. „Unter den gegebenen Umständen kann ich nicht weiter für dich arbeiten, Nick.“ Sie hob das Kinn ein wenig höher. „Außerdem habe ich vor, die Abendschule zu besuchen und eine Ausbildung als Erzieherin zu machen. Ich möchte meinen eigenen Kinderhort eröffnen.“
Die Leere und Enttäuschung, die Nick in seinem Innern spürte, kannte er. Das gleiche Gefühl hatte er gehabt, als sein Vater ihn damals aus dem Haus geworfen hatte. „Also willst du dir endlich deinen Traum erfüllen.“
„Zumindest den, der realistisch ist.“
Er sah den verhüllten Schmerz in ihren Augen, wollte sie in die Arme nehmen, sie an sich ziehen und halten.
Aber es war unmöglich.
Nie in seinem Leben hatte er sich so verlassen gefühlt. Mit einem schweren Seufzer nickte er. „Natürlich werde ich dir nicht im Weg stehen. Wenn es das ist, was du dir wünschst, dann werde ich deinen Antrag befürworten.“
„Da ist noch etwas: Ich habe noch Urlaubstage übrig. Die würde ich gern nehmen, bevor ich die neue Position antrete.“
„Sicher. Wann möchtest du den Urlaub nehmen?“
„Sofort.“
Er schluckte. Aber er konnte es ihr nicht verdenken. Schließlich war er vor zwei Jahren ebenso abrupt verschwunden. „Einverstanden. Wenn du es so willst.“
„Ja, ich will es so.“ Sie wandte sich ab. „Dann werde ich jetzt meinen Schreibtisch ausräumen.“
Nick legte seine Hand auf ihren Arm. „Rachel …“
Sie sah ihn an, ohne ein Wort zu sagen.
„Du … du wirst mir fehlen“, brachte er schließlich hervor.
Ihre Lippen zitterten ein wenig, als sie traurig lächelte. Dann drehte sie sich um und verließ sein Büro.
Erschreckend, wie leer ein Zimmer wirken kann, dachte Nick am nächsten Mittag, als er an Rachels Büro vorbeikam. Und genauso leer fühlte er sich auch. Leer, kalt und ausgebrannt.
Energisch wandte er sich ab und schritt den Korridor entlang. Von jetzt an würde er einen anderen Weg zu seinem Büro wählen, damit er nicht mehr an ihrem Zimmer vorbeikam. Er hatte sich angewöhnt, diesen Weg zu gehen, um vielleicht einen Blick auf sie werfen, ein paar Worte mit ihr wechseln zu können.
Überhaupt hatte er sich eine erstaunliche Anzahl von Angewohnheiten zugelegt, was Rachel betraf. So war er zum Beispiel jeden Morgen um halb elf in die Kantine gegangen, weil Rachel dann mit ihren Freundinnen eine Kaffeepause machte. Heute hatten die anderen Frauen ihn so vorwurfsvoll angesehen, dass er nur eine Cola aus dem Automaten gezogen und sich schnellstens wieder davongemacht hatte. Auch diese Angewohnheit würde er ablegen.
Heute Mittag würde er ihnen zumindest nicht begegnen, denn er war auf dem Weg, seine Tauchausrüstung zur Reparatur zu bringen. Und wenn er schon mal dort war, würde er sich direkt nach einer Tauchexpedition erkundigen. Ein neues Abenteuer war das beste Mittel gegen Katzenjammer.
Vielleicht würde er auch Fallschirm springen. Oder vielleicht ein Rennboot chartern. Je größer die Leere, desto größer auch das Risiko.
Seltsam nur, dass sich bei der Vorstellung an diese neuen Abenteuer einfach keine Vorfreude einstellen wollte.
Wahrscheinlich liegt es an Jenny, dachte er, als er über den Parkplatz zu seinem Wagen ging. Immerhin hatte er jetzt die Verantwortung für ein Kind. Aber das war es nicht allein. Ohne Rachel machte ihm eigentlich gar nichts mehr so richtig Spaß.
Er legte die Ausrüstung auf den Beifahrersitz seines Wagens und setzte sich hinter das Steuer. Zehn Minuten später parkte er vor dem Taucherladen.
Er nahm das Druckventil in die Hand und betrachtete es. Von außen war nichts zu erkennen, es sah völlig in Ordnung aus. Nichts deutete darauf hin, dass es nicht funktionierte.
Genau wie bei ihm.
Sein Magen drehte sich. Es war nur ein Stück Metall mit ein paar Gummischläuchen, trotzdem vertraute er diesem Ding sein Leben an. Es hatte ihn hängen lassen, hätte ihn fast das Leben gekostet, und trotzdem brachte er es zur Reparatur, war bereit, diesem Ding eine zweite Chance zu geben und ihm erneut zu vertrauen.
Rachel dagegen hatte ihn nie im Stich gelassen. Sie war immer für ihn da gewesen, wenn er Hilfe gebraucht hatte. Sie hatte ihm sogar das Leben gerettet. Aber bei ihr war er noch nicht einmal bereit, ihr überhaupt eine Chance zu geben.
Nachdenklich starrte er auf das Gerät.
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