Julia Collection Band 57
seiner Bitte um Hilfe das Selbstvertrauen eines kleinen Jungen zu stärken. Ob bewusst oder unbewusst, Lincoln Cade hatte den ersten Schritt getan, um der Held zu werden, den Lucky Stuart für Cade erschaffen hatte. Den ersten Schritt, um seinen Sohn unwiderruflich für sich zu gewinnen.
„Du hast es gewusst“, warf sie sich vor, als sie von der Scheunentür aus zusah, wie Lincoln und ihr Sohn gemeinsam Holz, Werkzeuge und sogar einen kleinen Aufsitzmäher vom Kleinlaster abluden. Von dem Moment an, als sie Lucky kurz vor seinem Tod versprochen hatte, ihren Sohn auf die Stuart-Farm zu bringen, da wusste sie, dass sie eines Tages Lincoln begegnen würde. Und auch, dass das Unvermeidliche passieren und Lincoln erkennen würde, wer Cade wirklich war.
Nervös fuhr sie sich mit einer Hand durchs Haar, sodass sich ihr Haarband löste und ihr die dunkelblonden Locken auf die Schultern fielen. „Wie soll ich es ihm bloß erklären?“, überlegte sie laut, während sie in die Scheune zurückging. Ihre Bestandsaufnahme war vergessen, ihre Gedanken kreisten nur um Lincoln und Cade. „Um Himmels willen, wie?“
Cades Lachen lockte Lindsey irgendwann aus der dunklen Scheune wieder hinaus auf den Vorplatz. Sie hörte auch Lincoln leise lachen. Dann wurde wieder gehämmert. Eigentlich eine nette Szene, die sich ihr da bot. Aber es handelte sich um Cade und Lincoln. Weil die beiden sich heute begegnet waren, würde ihr Leben nie wieder so sein wie bisher. Und sie hatte große Angst.
Lindsey blinzelte ihre aufsteigenden Tränen weg. Wie die beiden da die dunklen Köpfe zusammensteckten und miteinander werkelten, bauten sie eine Beziehung zueinander auf, die stabiler war als jede noch so solide Treppe.
Merkte Lincoln es? Konnte er hören, was aus Cades Stimme herausklang? Sehen, was aus dessen Augen sprach? Kümmerte Lincoln das alles überhaupt?
„Natürlich tut es das.“ Der Klang ihrer eigenen Stimme ließ Lindsey zusammenzucken. Lincoln nannte ihren Sohn „Junge“, nie „Cade“, aber dass er ihm etwas bedeutete, merkte man daran, wie er mit ihm umging. Seine Liebenswürdigkeit war echt.
„Sieh mal, Mom.“ Cade sprang hüpfend die Stufen hinauf und hinunter, um die Tragfähigkeit zu testen. Dann rannte er zurück auf die Veranda und warf sich Lincoln in die Arme.
Lachend stellte Lincoln ihn auf die Füße. Lindsey bemerkte an Lincoln auf einmal eine gewisse Zurückhaltung. Ihr fiel ein, dass Lincoln immer der Sachliche, Praktische war, der nie etwas überstürzte. Wenn er es tief im Herzen für richtig hielt, konnte er sich von allem und jedem abwenden. Er hatte sich von ihr abgewandt. Gut möglich, dass er es auch bei seinem eigenen Sohn tun würde.
„Hast du es gesehen, Mom?“
„Bestimmt hat sie es gesehen.“ Lincoln hob den heruntergefallenen Stetson auf und setzte ihn Cade wieder auf. „Die ganze Nachbarschaft muss dich gehört haben. Wahrscheinlich kommt gleich Gus Cade in seinem Rollstuhl den Waldpfad entlanggefahren, um sich zu beschweren, dass du seine Pferde scheu machst.“
Während sie den Vorplatz überquerte, merkte Lindsey, dass irgendetwas Cades Neugier geweckt hatte. Gleich würde er den ahnungslosen Lincoln mit Fragen bombardieren.
„Mr Gus hat Pferde, aber er fährt in einem Rollstuhl?“
Frage Nummer eins. Lindsey hatte inzwischen die Veranda erreicht und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen einen Stützpfeiler.
Lincoln war dabei, die Stufen, die er und Cade ersetzt hatten, zu begutachten. Ein Stück Sandpapier in der Hand, blickte er hoch. „Die Pferde, die jetzt in Belle Rêve auf der Weide stehen, gehören eigentlich meinem Bruder Jackson. Aber Gus hatte früher eigene, und die ritt er auch. Dann wurden seine Arme und Beine durch eine Krankheit jedoch so schwach, dass er nicht mehr gehen und reiten kann. Also benutzt er einen Rollstuhl.“
„Wo ist denn der Pfad?“
„Dort drüben.“ Lincoln deutete zum Waldrand. „Lucky und ich haben ihn immer benutzt, wenn wir uns besuchten.“
„Du hast in Belle Rêve gewohnt, ich weiß. Aber Lucky hat mir nie erzählt, dass Mr Gus in einem Rollstuhl fährt.“
„Er wusste nichts davon, Cade“, mischte Lindsey sich ein. „Ich nehme an, es passierte nach Frannies Tod, als wir schon in Oregon wohnten.“
Lincoln, der gerade die raue Kante einer Stufe abschmirgelte, sah hoch. „Lucky und ich hatten damals keinen Kontakt mehr. Ich wusste zwar, dass er und deine Mom in Oregon lebten, aber nicht genau, wo.“
„Du hättest
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