Julia Collection Band 57
mähen, und das wird eine Weile dauern. Dabei machen wir vielleicht gleich einen Abstecher nach Belle Rêve. Sehen uns ein paar Pferde an, essen zu Mittag. Hättest du Lust dazu?“
„Pferde! Darf ich, Mom?“ Cade geriet vor Begeisterung ganz aus dem Häuschen. Der Hut verrutschte nicht. „Bitte!“
Cade fragte sie. Lincoln nicht. Lindsey wusste, dass, wenn sie hart bliebe, ihr Verbot respektiert würde … und Cade wäre todunglücklich. „Okay, okay. Aber ehe es losgeht, soll Cade sich noch schnell die Hände waschen.“
„Das braucht er nicht, Lindsey. Sie werden sowieso wieder schmutzig. Außerdem haben wir in Belle Rêve auch Wasser und Seife.“
„Ich möchte, dass er sie sich jetzt wäscht, Lincoln.“ Die ganze Zeit über hatte sie sich zurückgehalten, doch jetzt klang sie schroff und sah ihn dabei herausfordernd an.
„Tu, was deine Mutter sagt, Sportsfreund.“ Lincoln wandte keinen Blick von Lindsey, als sie einander wie zwei Ringkämpfer fixierten. „Beeil dich. Wir haben eine Menge Gras zu mähen.“
Mit einem Freudenschrei fiel Cade seiner Mutter um den Hals und rannte ins Haus.
„Kannst du mir sagen, was du da tust, Lincoln Cade? Du kreuzt hier auf, als würde dir die Farm gehören. Lockst Cade mit Pferden. Bemühst dich um ihn wie …“
„Wie ein Freund, der seinem Vater versprochen hat, sich um dich zu kümmern? Wie ich es sehe, schließt das den Jungen mit ein.“ Lincoln trat näher, fasziniert von ihrem in wechselnden Goldtönen schimmernden Haar und dem Wildrosenduft, der auch Frannie Stuart immer umgeben hatte. Diesem Duft, der noch im Haus hing. Lindseys Leben ähnelte Frannies Leben, und sie war ebenso stark. Wildrosen passten zu ihr.
„Ich werde ihm nicht wehtun, Lindsey“, sagte er kaum hörbar. „Was auch immer hier geschieht.“
„Was auch immer geschieht?“ Er war ihr so nah, dass sie mit seiner Brust in Berührung käme, wenn sie tief einatmen würde. Wenn er sich etwas vorbeugen würde, könnte sie sein dichtes Haar streicheln, ihn vielleicht küssen.
Doch sie holte nicht tief Atem, und Lincoln verharrte reglos. Die Hände hatte sie zu Fäusten geballt. Und sie presste die Lippen zusammen. Lincoln war vielleicht ein Freund, doch vielleicht auch ihr wohltätiger Feind. Wie auch immer, sie musste Abstand halten und seine faszinierende Ausstrahlung ignorieren.
„Warum bist du wirklich hergekommen? Was willst du, Lincoln?“
Seine Augen waren genauso silbergrau wie Cades Augen, und er wandte nicht den Blick von ihr. „Ich weiß es nicht, Lindsey. Aber ich werde so lange wiederkommen, bis ich es weiß.“
„Nein.“
„Doch.“ Er ergriff ihre Hand und hielt sie fest. „Ich liebe diese Farm. Sie war mehr mein Zuhause als Belle Rêve. Lucky war wie ein Bruder für mich und Frannie wie eine Mutter, denn ich hatte keine. Für die beiden und für den Jungen werde ich die Farm instand setzen. Ein Zuhause daraus machen, auf das er stolz sein kann.“
„Deine Praxis …“
Lincoln verzog den Mund zu einem spöttischen Lächeln. „Das funktioniert nicht, Süße. Meine Praxispartnerin drängt mich seit Monaten, endlich mal freizunehmen. Jetzt tue ich es. Wie gesagt, ich werde jeden Tag herkommen und den ganzen Tag bleiben, so lange wie nötig.“
„Ich brauche dich nicht.“ Lindsey war der Verzweiflung nah, ohne genau zu wissen, was an Lincolns Plan ihr am meisten Angst machte. „Was hier nötig ist, kann ich selbst machen.“
„Wirklich?“ Lincoln trat einen Schritt zurück, während er den Blick langsam über sie gleiten ließ, genau wie bei seiner Ankunft. „Womit willst du das bezahlen? Du bist pleite, Lindsey. Das ist nicht zu übersehen.“
„Na und? Bis ich Arbeit finde, werden wir uns eben nach der Decke strecken. Ich werde keine Almosen von dir annehmen, Lincoln Cade.“
„Es sind keine Almosen.“
„Wie würdest du es denn sonst nennen?“
„Wie wär’s mit Dankbarkeit den Stuarts gegenüber?“
Die Haustür fiel zu.
„Ich bin fertig“, verkündete Cade. „Ich hab sogar mein Gesicht gewaschen, Mom.“
„Das ist schön, Tiger.“
Cade wollte die Treppe herunterspringen, doch Lincoln hielt ihn fest. Wortlos bedeutete er dem Jungen, seiner Mutter die Wange für ein Küsschen hinzuhalten. Und ehe sie es sich versah, hatte Lindsey den Tag für sich.
Als sie den beiden nachsah – Cade hatte einen Arm fest um Lincolns Hals geschlungen –, da wusste sie, dass es ein Tag voller Sorge werden würde.
4. KAPITEL
Cades Gelächter
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