Julia Collection Band 57
weiß, Eden.“
„Was meinst du dazu, Lincoln?“ Er war ein Mann mit einem ausgeprägten Instinkt, ein Tierarzt mit fast übernatürlicher Begabung, genau wie ihr Großvater. Seit ihrer Rückkehr nach Belle Terre hörte Eden die Einheimischen immer wieder über seine einmalige Fähigkeit reden, die richtige Diagnose zu stellen. Unter Pferdezüchtern war das ein beliebtes Thema beim Essen im River Walk. Eden glaubte nicht, dass Lincolns Einfühlungsvermögen auf Tiere beschränkt war. „Rede mit mir“, bat sie flehentlich. „Du hast doch sicher eine Theorie zu den Ereignissen in jener Nacht.“
Mit gesenktem Kopf saß Lincoln neben ihr und hing seinen Gedanken nach. „Willst du wissen, was ich glaube?“, meinte er schließlich. „Oder was ich weiß?“
Die Vorstellung, dass es einen Beweis zugunsten Adams gab, ließ Edens Herz vor Freude einen Sprung machen. Doch sie erkannte sofort, wie töricht das war. Falls Lincoln etwas wusste, was die Anklage widerlegte, dann hätte er seine Aussage längst gemacht. Trotzdem wollte sie hören, welche Meinung der besonnenste von Adams’ Brüdern hatte. „Sag mir alles. Bitte.“
„Es ist nicht viel, Eden.“ Lincoln legte seine große, kräftige Hand auf ihre Hand. „Es sind bestenfalls Vermutungen, weil ich meinen Bruder schließlich kenne.“
„Ich möchte deine Meinung hören“, erwiderte sie mit bebender Stimme. „Wie du dazu gekommen bist, ist mir egal.“
„Schon gut.“ Lincoln drückte ihr beschwichtigend die Hand und wartete einen Moment, bis sie sich gefasst hatte. Seit ihrer Rückkehr nach Belle Terre hatte er die ruhige, zurückhaltende Eden Claibourne noch nie so temperamentvoll erlebt.
Mehr noch, er hatte noch nie eine Frau getroffen, die so sehr liebte. Das Schicksal seines Bruders war tragisch. Und doch konnte er sich sehr glücklich schätzen, eine Freundin wie Eden zu haben.
„Ich glaube, dass Adams unschuldig ist. Ich glaube, dass er etwas verschweigt. Vielleicht, um jemanden zu schützen.“
„Zu schützen?“ Eden zögerte. „Aber wen? Warum? Wem würde er so viel Loyalität und Liebe entgegenbringen, dass er sein eigenes Leben opfern würde, um sie oder ihn zu beschützen?“
„Diese Frage habe ich mir selbst unzählige Male gestellt. Die Antwort ist immer dieselbe. Ich weiß es nicht. Am Abend deines ersten Balls waren wir ausnahmsweise einmal alle zu Hause, außer Adams. Gus, Jackson und ich halfen einer Stute bei einer schwierigen Geburt. Jefferson lag im Bett und schlief. Du selbst warst noch vor eins wieder zu Hause.“ Lincoln hob die Schultern. „Die Menschen, die er so sehr liebte, dass er sich für sie opfern würde, waren also alle sicher und geborgen. Wer bleibt da übrig? Jahrelang habe ich mir darüber den Kopf zerbrochen, aber mir fällt einfach niemand ein.“
„Trotzdem glaubst du, dass das die Erklärung ist.“
„Hast du eine andere?“
Eden sah zu Adams hinüber, der ganz in ein Gespräch mit seinen jüngeren Brüdern vertieft war. „Nein, absolut keine.“
Irgendwo machte Lincolns Theorie Sinn. Sie erklärte, warum ein Mann sich wegen einer fast tödlichen Attacke, die er, weil er viel zu besonnen war, eigentlich gar nicht verübt haben konnte, nicht rechtfertigte. Doch die Schlüsselfrage blieb unbeantwortet.
„Wen will er denn nur schützen?“
An der Tür tauchte ein großer, breitschultriger Mann auf. Er trug eine tadellos sitzende khakifarbene Uniform, in der Hand hielt er einen Stetson. Aufmerksam ließ er den Blick durch die Bibliothek schweifen, bis er schließlich an Adams hängen blieb.
Als habe er nur darauf gewartet, sah Adams hoch. „Hallo, Jericho. Ich habe mich schon gefragt, wann du vorbeikommen würdest.“
„Adams.“ Jericho Rivers nickte ihm zu, und die Bewegung ließ den Stern an seiner Brust aufblitzen. Mit kurzem Nicken begrüßte er auch die anderen. „Jackson. Jefferson. Lincoln.“ Sein Ton wurde weich. „Eden. Ich hoffe, es ist dir recht, dass ich darauf bestanden habe, dass Cullen mich vorlässt.“
„Aber natürlich. Komm herein, Jericho.“ Eden ging ihm entgegen. „Kann ich irgendetwas für dich tun?“
„Nein danke, Eden. Ich wollte nur kurz mit Adams reden.“
„Wollen Sie mich aus der Stadt verjagen, Sheriff?“
„Ganz so dramatisch ist es nicht.“ Die Augen des Sheriffs blitzten amüsiert. „Ich wollte dir nur sagen, dass Junior Rabb weiß, dass du hier bist. Junior ist außerordentlich nachtragend. Wenn ich du wäre, wäre ich auf der
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