Julia Collection Band 62
allmählich austrockneten. Seit gestern hatte er keine neuen mehr dazubekommen. Man konnte sich nicht mehr bei ihm anstecken, und er schien sich wieder deutlich besser zu fühlen. Allerdings gab das Jill auch die Gelegenheit, darüber nachzudenken, wie lästig sie beide in den vergangenen Tagen gewesen sein mussten.
Louise hatte Sam die letzten zwei Tage das Essen ans Bett gebracht, und Gray hatte ihm gestern Abend noch einmal Gutenachtgeschichten vorgelesen. Wie zuvor hatte seine Stimme rau, aber gefühlvoll geklungen, und Sam hatte förmlich an seinen Lippen gehangen. Es war ganz offensichtlich, dass er den Mann mochte, doch Jill war nicht davon überzeugt, dass das Gefühl auf Gegenseitigkeit beruhte.
„Das hängt von deiner Mutter ab“, sagte Louise gerade.
„Wir wollen nicht im Weg sein.“
Louise unterbrach ihre Arbeit, legte die Hände auf die Hüften und runzelte die Stirn.
„Also, wie solltet ihr das tun? Das hier ist eine große, offene Ranch, kein enges Büro. Und Dr. Blankenship empfiehlt, dass ihr mindestens noch eine Woche hierbleibt. Was wollt ihr denn die ganze Zeit tun? Nur im Haus herumhängen? Natürlich könnt ihr mitkommen, wenn ihr möchtet. Ich wollte das sowieso vorschlagen.“
Jill schwieg eine Weile. Das schien doch eine ehrliche Einladung sein, oder? Es hatte sie erleichtert, zu sehen, dass das Leben auf der Ranch seit ihrer Ankunft seinen gewohnten Gang nahm. Es verringerte ihre Verpflichtung und ihr Gefühl, in die Privatsphäre der McCalls eingedrungen zu sein. Dennoch zögerte sie. Wie würde Gray reagieren?
Sie verbrachte sowieso schon zu viel Zeit in seiner Gesellschaft. Sie waren die jüngsten und dynamischsten Leute im Haus und daher immer als Erste morgens auf und als Letzte abends im Bett, was bedeutete, dass es genug ruhige Momente gab, in denen sie reden konnten. Momente, in denen sie einander in die Arme fallen und sich küssen könnten, wenn sie das zuließen.
Jill hatte den Überblick verloren über die Gelegenheiten, in denen das beinahe passiert wäre. Das Frühstück an diesem ersten Morgen, bevor sie wusste, dass Sam die Windpocken hatte, als sie beide an ein Morgengrauen in Las Vegas zurückgedacht hatten. Vor dem Abendessen am selben Tag, als sie mit dem nur halb bekleideten Gray zusammengestoßen war …
Es wäre wesentlich einfacher und auch sicherer, Nein zu dem Picknick zu sagen. Doch dann sah sie in Sams hoffnungsvolle, bittende Augen und traf ihre Entscheidung.
„Also gut, wir kommen mit, solange Sie mich mithelfen lassen.“
Bald schon bereute sie dieses impulsive und naive Angebot.
Sie brauchte nur einen Blick auf das Equipment im Truck zu werfen, um zu wissen, dass sie beim Reparieren des Zauns keinerlei Hilfe sein würde.
Sam saß vorne bei Louise, sodass Jill nach hinten zu Pete klettern wollte, doch Gray meinte: „Geh nach vorn, Jill.“ Er hielt ihr die Tür auf.
„Oh, aber ich dachte …“
„Ich schätze, mein Steißbein ist härter als deines. Es wird eine verdammt holprige Fahrt werden.“
Sie nickte und widersprach nicht, wieder einmal unsicher, ob sie eine größere Plage war, wenn sie protestierte oder sich gehorsam fügte.
Er stieg hinten ein, und Louise startete den Motor. Sie fuhren zehn Minuten lang über eine Schotterpiste, dann kamen sie plötzlich in ein Gelände, wo es überhaupt keinen Weg mehr gab. Sam jauchzte vor Aufregung und Freude bei jedem Stoß, während Louise voll konzentriert nach vorne starrte. Ihre Hände schienen mit dem Lenkrad verschmolzen zu sein, und sie wich Baumstümpfen und Felsen und Gräben aus, so gut sie konnte.
Jill hatte das Fenster heruntergelassen, lehnte ihren Ellbogen in die frische Luft hinaus und grinste in der einen Minute, während sie ihre Augen in der nächsten voller Erschrecken schloss. Gray beugte sich vor und schrie zu ihr: „Alles in Ordnung da vorne?“
Und sie rief zurück: „Ja!“, bevor sie auch nur darüber nachgedacht hatte.
Trotz der Stöße und des Staubs und des Erschreckens liebte sie dies. Der Tau lag noch auf dem Gras, eine frische, milde Brise ließ die bunten Blätter schaukeln oder löste die Nadeln von Bäumen, die sie gar nicht kannte. Sie war niemals in einer so herben Landschaft unterwegs gewesen, in einer Expedition, an deren Ende harte Arbeit stand. Das Ganze war einfach aufregend.
Plötzlich stoppte Louise und verkündete: „Okay, jetzt kommt das schwierige Stück.“
Jill schluckte. „Oh … worüber sind wir denn gerade gefahren?“
„Das
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