Julia Collection Band 62
legen, seine Stärke zu fühlen und ihn zu küssen, so, wie sie sich zuvor im Hof geküsst hatten. Mit Hitze und Verlangen und Gewissheit.
Sie brauchte seine nächsten Worte nicht, um zu wissen, dass das nicht passieren würde.
„Es ist spät. Ich lasse dich jetzt besser schlafen gehen.“
Seine Stimme war heiser.
„Ja“, flüsterte sie.
9. KAPITEL
Gray nahm Louise, Jill und Sam am nächsten Morgen mit in die Kirche.
Pete entschloss sich, diesmal zu Hause zu bleiben. „Meine Schulter tut weh. Ich werde es heute ruhig angehen lassen.“
Das Wetter war immer noch mild, aber selbst Jill konnte erkennen, dass das nicht anhalten würde. Als sie in Blue Rock ankamen, war die Temperatur schon um einige Grade gefallen, und nach dem Gottesdienst eine Stunde später hatte es angefangen zu schneien.
Im Haus herrschte absolute Stille, als sie zurückkamen.
„Wo ist er?“, murmelte Louise. „Wenn er in diesem Wetter hinausgegangen ist …“
Sie beendete den Satz nicht. Sie schien mit ihren Gedanken weit weg zu sein, und Jill litt mit ihr, weil sie sich nur zu gut vorstellen konnte, was der älteren Frau im Kopf herumspukte. Zu alledem sprachen Mutter und Sohn kaum miteinander. Wahrscheinlich weil sie wussten, dass sie wieder streiten würden, wenn sie erst einmal begannen, und das wollten sie nicht vor Fremden tun.
Fremde – das sind Sam und ich.
„Dad?“, rief Louise, als sie die Hintertür öffnete.
Keine Antwort.
„Ich schau mal nach, ob er bei den Pferden ist“, entschied Gray.
Er machte sich auf den Weg zu dem alten Stall, und Jill musste stark an sich halten, um ihm nicht mit nacktem Hunger in den Augen nachzusehen. Sie liebte seinen wiegenden Cowboygang, die Zielgerichtetheit darin und die Art und Weise, wie er den Boden beanspruchte, als gehöre er ihm allein.
Sie folgte Louise ins Innere des Hauses, fragte sich, was sie Sam zu Essen machen solle und hörte die andere Frau plötzlich laut aufstöhnen.
„Oh Gott, ich wusste es! Ich wusste, ich hätte ihn nicht allein lassen dürfen! Hier auf dem Küchentisch liegt ein Zettel von ihm. Er ist hinter dem Vieh her.“
„Was bedeutet das?“, fragte Jill verwundert.
„Da sind immer noch einige Rinder auf der Weide oberhalb von Blackjack Mountain. Wir hatten bislang keine Gelegenheit, sie für die Winterfütterung weiter runterzubringen. Er hat die Zeit auf dem Zettel notiert. Viertel vor zehn. Fünf Minuten, nachdem wir zur Kirche gefahren sind, und wir haben jetzt halb zwölf. Er hätte zurückkommen müssen, als es angefangen hat zu schneien, und sollte dann jetzt eigentlich schon hier sein. Jill, sag Gray, dass …“
Doch Gray war bereits zurück. „Er hat den Jeep genommen.“
Jill wusste, dass der Wagen fast neu war und von vielen Ranchern auf Strecken benutzt wurde, die vorher nur mit dem Pferd erreicht werden konnten.
„Warum hat er das bloß gemacht?“, fuhr Gray fort. „Er ist verrückt. Fährt in eine Gegend, wo man nur mit einem Pferd hinkann. Er ist bestimmt von dem Schnee überrascht worden. Mom, lass uns schnell etwas essen und dann …“
„Ich kann nicht.“ Louise stützte ihre Hände auf der Arbeitsfläche auf und ließ sich dann in den nächsten Stuhl fallen. Ihre Stimme und auch ihre Knie zitterten.
„Du kannst nicht essen?“
„Ich kann nicht mitkommen. Ich möchte ja. Aber ich kann nicht. Ich habe letzte Nacht nicht geschlafen. Ich … ich kann einfach nicht.“
Sie zitterte jetzt so unkontrolliert, dass Jill befürchtete, dass sie gleich zusammenklappen würde.
„Hol ein paarmal tief Luft, Louise“, drängte sie. „Ich mache dir eine … eine heiße Schokolade.“ Irgendetwas Süßes, um ihr schnell Energie zuzuführen. „Bleib einfach, wo du jetzt bist.“
Sie musste die Tränen zurückhalten. Sie hatte Louise in den vergangenen zwei Wochen so lieb gewonnen und fühlte sich in ihrer Gegenwart gar nicht wie ein zeitweiliger und ungebetener Gast, der bald wieder abreist. Stattdessen glaubte sie fast, hierherzugehören.
„Wie wäre es, wenn ich ein paar Sandwiches mache, wir essen schnell, und dann … dann … Sam, Liebling, kannst du hierbleiben und nach Louise gucken? Sie fühlt sich im Moment nicht wohl, und … vielleicht kannst du Firefly finden, damit sie ein bisschen miteinander kuscheln, und ihr zwei könnt euch ein paar Geschichten ansehen, während ich mit Gray rausfahre, um nach Grandpa Pete zu sehen.“
„Hat er sich verlaufen?“, fragte Sam in seiner süßen, unschuldigen
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