Julia Collection Band 62
machen. Nächsten Monat, okay? Nein, ich will nichts mehr hören!“
Er schrie fast, doch das nahm Louise überhaupt nicht zur Kenntnis. Sie zählte bereits alle Gründe auf, die dagegen sprachen.
„Ich höre mir das nicht länger an! Wir werden es schaffen“, wiederholte er.
„Ich kann nicht nach Las Vegas fahren. Wir müssen realistisch bleiben.“
„Du wirst fahren“, sagte er noch bestimmter.
Er hatte keine Ahnung, wie lange sie dieses Spielchen noch gespielt hätten, wenn Jill sie nicht unterbrochen hätte.
„Entschuldigt, aber Sam weint. Klingt, als wenn er einen Albtraum hätte, und ihr braucht mich hier nicht, um …“
Sie verließ den Raum, ohne den Satz zu beenden, und Gray blieb mit seiner Mutter allein zurück.
„Ich hatte gehofft, ihr beiden würdet noch etwas länger draußen bleiben, bis ich mich wieder gesammelt hätte. Ich wollte euren Abend nicht verderben. Ich wusste, dass er so enden würde. Es tut mir leid, Gray.“
Dann stand Louise vom Tisch auf, ließ den Rest ihres Tees unberührt und folgte Jill die Treppe hinauf. Ihr Abgang war mindestens ebenso unangenehm gewesen wie Jills.
Allein in der Küche, hätte Gray am liebsten geflucht. Er erwog es jedenfalls ernsthaft. Er überprüfte alle ihm bekannten Schimpfworte und lehnte sie dann alle ab. So kam er auch nicht weiter.
Er fühlte sich hilflos und elend und mies. Er trank den Tee, einfach weil er da war, und schmeckte die Bitterkeit des Teins in seinem Mund wie die Verkörperung seiner Stimmung.
Er dachte an das Leben seiner Mutter zurück. Louise war ganz in der Nähe auf einer kleinen Ranch, die seine Großeltern Pete und Alice betrieben, groß geworden. Das Ganze hatte nicht ausgereicht, um die Familie zu ernähren, weshalb sein Grandpa noch den Eisenwarenladen in Blue Rock geführt hatte.
Blaine Kruger schneite in die Stadt, als Louise Marr gerade siebzehn Jahre alt war. Er selbst war auch erst fünfundzwanzig und auf der Suche nach dem schnellen Geld. Er kaufte Land, das die Banken billig abstießen, und veräußerte das dann mit Profit.
Er fand das Geschäft nicht so lukrativ, wie er erhofft hatte, machte aber genug Gewinn, um sich mit Louise als Braut nach Las Vegas abzusetzen. Sie war achtzehn, als Mitchell geboren wurde, und neunzehn, als die Ehe aufgrund von Blaines Untreue den Bach runterging. Mit zwanzig kam sie mit ihrem kleinen Sohn nach Blue Rock zurück. Fünf Monate später traf sie Franklin McCall im Eisenwarenladen ihres Vaters, und als sie zweiundzwanzig wurde, heirateten sie.
Blaine Kruger bekam seinen Sohn in allen Sommerferien, an jedem zweiten Weihnachten und so viele Male dazwischen wie möglich zu sehen. Gray wusste immer noch nicht, ob Blaine absichtlich versucht hatte, Mitchs Loyalität für sich selbst zu gewinnen, oder ob es sich um ein zufälliges Nebenprodukt ihrer ähnlichen Temperamente und der teuren Geschenke, die sein Bruder jedes Mal in Las Vegas erhielt, handelte.
Was auch immer der Grund gewesen sein mochte, es hatte früh angefangen. Gray konnte sich noch gut daran erinnern, dass er selbst im Alter von fünf oder sechs Jahren immer wieder Mitchs Kommentar hörte: „Ich hasse die Ranch!“ Sein Bruder war dann mit neunzehn zu seinem Vater nach Las Vegas gegangen, und mittlerweile hatte er es zu einem wohlhabenden Mann gebracht.
In der Zwischenzeit hatte für Gray nie die Gefahr bestanden, die Meinung seines Halbbruders zu übernehmen. Er hatte die Ranch immer geliebt. Nur während einer ganz kurzen Phase seines Lebens hatte er seine Zukunft im Rodeoreiten gesehen.
Und jetzt kämpfte er mit seiner Mutter, weil sie wusste und er sich zu akzeptieren weigerte, dass sie für die nächste Zeit keine Möglichkeit haben würde, ihr Enkelkind zu besuchen.
Wie konnte alles nur derartig schlimm werden? Und wie konnte er nur auf die Idee kommen, mit Jill zu schlafen, wenn sie am Montag abreiste und sein Leben so aussah?
Es war unmöglich. Das wusste er. Nicht in einer Million Jahren.
Den Rest des Tees in den Ausguss schüttend, stieg er die Treppe hinauf.
„War es ein Albtraum?“
„Mhm“, flüsterte Jill.
Sam weinte immer noch, als Gray oben ankam. Sie trug ihn in ihrem Zimmer auf und ab, und ihre Arme mussten allmählich schwer werden. Sie versuchte, ihn nun schon seit einer ganzen Weile zu beruhigen, aber es schien nicht zu wirken.
„Es muss ein schlimmer gewesen sein“, vermutete Gray.
„Ich denke, er hat sich heute einfach übernommen. Außerdem hat er mehr Cola und
Weitere Kostenlose Bücher