Julia Collection Band 63
war die Situation hier sowieso ungünstig. Die Senioren, die an den langen Tischen um sie herum saßen, passten höllisch auf; ihnen entging nichts. Aber Calder übte Nachsicht, denn diese alten Leutchen trugen auf ihre Weise zu dem inzwischen berühmten Essen bei, indem sie eifrig für ihre Kirche spendeten. St. Peter hatte schon einmal bessere Tage gesehen. Renovierungen waren dringend nötig und nicht mehr aus den laufenden Einnahmen zu bestreiten. Calder wäre sofort bereit gewesen, der Gemeinde einen großzügig bemessenen Scheck für die Reparatur des Kirchendaches auszustellen, wenn alle Gäste auf der Stelle verschwunden wären und er Lisette für sich ganz allein gehabt hätte. Gerade hatte er sich einen brillanten Satz überlegt und wollte sie damit beeindrucken, da trat eine junge Frau an ihren Tisch und bot Tee und Kaffee an. Schade, jetzt musste er auf eine bessere Gelegenheit warten.
„Ich hätte gern Kaffee.“ Lisette lächelte die junge Frau freundlich an, als sie ihr die Tasse reichte.
„Ich auch bitte“, sagte Calder. Während er der Bedienung dann beim Einschenken zusah, fragte er sie: „Ich habe gehört, dass die Einnahmen von heute für das neue Kirchendach sein sollen, stimmt das?“
„Ja, denn das ist im Moment das Dringendste. Wir hoffen, dass wir genug Geld zusammenbekommen, damit wir im Frühjahr gleich damit anfangen können. Letzten Winter hatten wir schon befürchtet, dass der Dachstuhl von dem vielen Schnee einbricht.“
„Das heißt, dass diesen Winter alle starken Männer aufs Dach klettern und den Schnee wegschaufeln müssen. Dabei können sie nur beten, dass der Dachstuhl hält.“ Calder warf Lisette einen verschmitzten Blick zu und sah, dass sie nach dem ersten Schluck Kaffee die Tasse sofort wieder absetzte. „Schmeckt er so schlecht?“, witzelte er. Er wusste natürlich, dass sie deutlich besseren Kaffee gewöhnt war. Schweigend schob Lisette ihren Stuhl zurück und stand auf. „Sie gehen doch nicht schon?“
„Meine Töchter müssen auf die Toilette.“
„Aber Sie kommen doch wieder?“ Er klang enttäuscht.
„Brauchen Sie Unterstützung, weil Sie Angst vor den Zwillingen haben?“, fragte sie und wandte das Gesicht ab. Dennoch entging ihm nicht, dass sie plötzlich sehr blass geworden war. Was würde sie wohl erst sagen, wenn sie erführe, dass Mac sie schon als seine Schwiegertochter betrachtete? Dass er sogar die Bliss-Zwillinge um Hilfe gebeten hatte?
„Zu Recht habe ich Angst vor denen“, verteidigte er sich. „Denken Sie nur daran, wie es meinem Freund Owen ergangen ist. Das erste Treffen mit seiner jetzigen Frau fand erst kürzlich in deren Wohnzimmer statt. Und jetzt ist er verheiratet. Ich sage Ihnen, jeder hier, der noch ein bisschen Verstand hat, versucht, den beiden aus dem Weg zu gehen.“
Wie nach Bestätigung suchend, sah er sich um, und ihm fiel dabei auf, dass einige der Senioren Lisette interessierte Blicke zuwarfen. Was ihm nichts ausmachte. Die Konkurrenz hier war nicht sehr groß, außer Lisette zog deutlich ältere Männer vor. „Wenn Sie nicht aufpassen, geschieht mit Ihnen das Gleiche wie mit meinem Freund“, fügte er warnend hinzu.
„Das bezweifle ich. Auf Wiedersehen.“ Sie hängte sich ihre Schultertasche um und nahm die Mädchen an die Hand. Das war Calder auch noch nicht passiert. Diese Frau ging einfach weg und ließ ihn sitzen. Das verletzte ihn sehr und nagte an seinem Selbstwertgefühl. Vielleicht sind meine besten Zeiten ja vorbei, dachte er trübsinnig. Ein junges Mädchen trat an den Tisch, säuberte den Platz, an dem soeben noch Lisette mit ihren Töchtern gesessen hatte, und Sekunden später sah es aus, als wäre sie niemals da gewesen.
Calder wandte sich um, versuchte noch einen Blick von Lisette zu erhaschen und sah, wie sie sich mit eleganten Bewegungen durch die Tischreihen schlängelte. In ihrem engen, hoch geschlitzten schwarzen Rock sah sie heute hinreißend aus. Bei jedem Schritt, den sie machte, waren ihre schlanken, wohlgeformten Beine zu sehen. Wenn er ihr noch lange hinterhersah, würde er gleich Schwierigkeiten haben, aufzustehen, so sehr erregte sie ihn.
Er nahm sich zusammen und versuchte, an etwas anderes zu denken. Bald musste er die Preise verteilen. Den Hauptpreis hatte Mac gestiftet – einen alten Ledersattel, der einst einem berühmten Cowboy gehört haben sollte. Dieser Mann wurde heute noch in der Gegend wie ein Held verehrt. Aber Calder bezweifelte, dass der Sattel echt war. Woher
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