Julia Exklusiv 0180
von ihr. Nein, das konnte nicht sein. Er war doch der selbstbewussteste Mann, den Sabina kannte.
Yorke verzichtete anscheinend auf das, was immer er von ihr hatte hören wollen. „Allerdings stimmen, seitdem ich dich kenne, meine Absichten und meine tatsächlichen Handlungen nicht mehr unbedingt überein.“
„Und dafür machst du mich verantwortlich?“, warf sie ein.
„Um Himmels willen, natürlich nicht“, verneinte er sofort. „Obwohl …“ Wieder zögerte er. Und Sabinas Welt geriet sozusagen völlig aus den Fugen, als Yorke ruhig bemerkte: „Du hast mich ganz und gar aus dem Konzept gebracht, Sabina.“
„Ach …“ Sie wollte etwas Herablassendes sagen, schaffte es aber nicht. „Seit wann?“, fragte Sabina stattdessen.
Das klang offensichtlich nicht so sarkastisch wie beabsichtigt, denn Yorke ließ sich nicht abschrecken, sondern erklärte bereitwillig: „Vom ersten Moment an, als ich dich sah, mit dir zusammen war und dein lebhaftes Wesen und deine Loyalität kennenlernte. Seit damals weiß ich, dass du eine ganz besondere Frau bist.“
Inzwischen waren sie ja meilenweit vom eigentlichen Thema abgekommen, nämlich warum er so lange gezögert hatte, ihr von Rods Brief zu berichten. Aber daran wollte Sabina Yorke jetzt nicht erinnern.
„Das alles hast du schon bei unserem ersten Treffen bemerkt?“, fragte sie und versuchte, einen klaren Kopf zu behalten.
Yorke nickte. „Das – und noch mehr. Und als ich dich das zweite Mal traf, hier in der Wohnung, um den Ring meiner Großmutter zurückzubekommen, da erkannte ich sofort, wie weichherzig du bist. Und deshalb habe ich ja versucht, dir klarzumachen, wie wichtig es sei, dass ich ihr den Ring zurückgebe, mein Schatz.“
„Aber ich blieb widerspenstig“, meinte Sabina. Ihr Herz klopfte wie rasend, weil er sie wieder „Schatz“ genannt hatte. Auch wenn er das Wort womöglich nur so dahingesagt hatte …
„Ja, das stimmt, und ich hätte dir deswegen am liebsten den Hals umgedreht“, gestand Yorke. „Aber dann hatte ich die Idee …“
„So zu tun, als wären wir verlobt“, ergänzte Sabina den Satz.
„Genau. Und du hast ohne Widerrede zugestimmt.“
„Moment mal! Ich stimmte nur zu, deine Großmutter im Krankenhaus zu besuchen, und zwar ein einziges Mal“, erinnerte sie ihn.
Offensichtlich hatte er nicht die geringste Kleinigkeit vergessen, denn er meinte: „Ich dachte damals, du hättest dich doch noch anders entschieden, weil du fünfundvierzig Minuten zu spät kamst. Und obwohl ich rasend wütend auf dich war, meinte ich, dass ich dich – dem äußeren Anschein zuliebe – auf die Wange küssen sollte.“
„Es war nicht die Wange, sondern der …“ Sabina verstummte. Das hätte sie besser nicht gesagt.
„Ja, dein Mund. Deine wunderbaren Lippen“, ergänzte Yorke den Satz. Dass sie sich daran erinnerte, schien ihn sogar zu ermutigen.
Als ob er Ermutigung nötig hätte, dachte Sabina.
„Und nachdem ich damit angefangen hatte, wollte ich nicht mehr aufhören“, sagte Yorke und sah ihr tief in die Augen.
„Na ja, du bist ein ziemlich … temperamentvoller, männlicher Mann“, erwiderte Sabina ausweichend.
Yorke schüttelte den Kopf. „Nein, nicht wenn meine Großmutter mir zusieht.“
„Aber danach auf dem Parkplatz warst du noch immer wütend auf mich“, rief Sabina Yorke ins Gedächtnis.
„Natürlich. Ich hatte dich zum Abendessen eingeladen, und du sagtest, du hättest schon eine Verabredung.“
„Moment, du hast mich zu einem Sandwich eingeladen. Mit Dosenthunfisch“, protestierte sie.
„Ich meinte natürlich ein richtiges Abendessen.“
Sabina sah Yorke fest an. Das Gespräch war einfach unglaublich – aber sie wollte es noch nicht beenden. Er klang ja tatsächlich so, als hätte er etwas dagegen gehabt, dass sie mit einem anderen Mann ausgegangen war.
„Jedenfalls war unsere sogenannte ‚Verlobung‘ völlig platonisch“, erinnerte Sabina Yorke.
„Ach wirklich?“
Bei der Erinnerung an den Vorfall in seinem Schlafzimmer wurde Sabina rot.
„Na ja, sie hätte es jedenfalls sein sollen“, erwiderte sie so sittsam wie möglich.
„Aber dann küsste ich dich und hätte am liebsten nicht mehr aufgehört“, gestand Yorke.
Sabina wünschte sich, er würde sie jetzt küssen – oder wenigstens umarmen, denn sie fühlte sich schwach und verletzlich. Damit er ihr nicht länger ins Gesicht sehen konnte, stand sie auf, ging zum Fenster und strich den Vorhang glatt.
10. KAPITEL
Sabina blieb
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