Julia Exklusiv Band 0194
Rechtsanwalt meines Vaters und lebte zu der Zeit in Turret House. Seine damalige Haushälterin war schon im Rentenalter und wollte sich zur Ruhe setzen. Deshalb machte er meiner Mutter den Vorschlag, ihre Stelle einzunehmen. Seitdem lebten wir in diesem Haus.“ Aus Portias Gesicht war jegliche Farbe gewichen.
„Und dieser Mann hat Sie schlecht behandelt?“
„Nein, man sagte mir, dass ich Abstand zu ihm halten und ihn in Ruhe lassen sollte. Aber das erste Jahr war hart, weil wir meinen Vater zu sehr vermissten. In der Zeit habe ich an Gewicht verloren, bis ich auf die Knochen abgemagert war.“
„Das ist ja nicht zu fassen!“
„In meiner Klasse tauchte eine neue Schülerin auf, Marianne. Sie konnte mich allmählich wieder aufmuntern, obwohl wir so verschieden sind. Mit achtzehn begann ich meine Studien, und Mr. Radford hatte mir sogar finanzielle Unterstützung zugesagt.“
„Und was war mit Ihrer Freundin?“
„Marianne ging nach Oxford, um Englisch zu studieren, aber wir blieben immer in Kontakt. Doch als ihre Familie nach Kent umzog, war niemand da in den Ferien. Bei warmem Wetter war ich deshalb oft in der kleinen Bucht.“
Luc ließ plötzlich ihre Hand los und schenkte ihr noch einmal Kaffee ein. „Ich schätze, dass Sie dann im oberen Turmzimmer gewohnt haben, oder?“
„Um Gottes willen, nein! Mutter und ich hatten unsere Zimmer im ersten Stock nach hinten, da, wo heute zwei Badezimmer sind. Der Turm wurde nur von Mr. Radford bewohnt. Und der oberste Raum war tabu für jedermann.“
„Und sind Sie hinter das Geheimnis des obersten Zimmers gekommen?“
„Hört sich bei Ihnen ganz nach einer Geschichte von Sherlock Holmes an.“
„Na ja, ich sollte nicht so neugierig sein.“
„Meine Mutter behauptete, dass Mr. Radford dort spezielle Akten einiger seiner Klienten aufbewahrte.“ Portia schaute nachdenklich vor sich hin und schien in ihren Erinnerungen völlig unterzugehen.
„Und dann haben Sie ihr Examen bestanden, Portia?“, versuchte Luc sie abzulenken.
„Ja, aber kurz danach starb meine Mutter …“ Portia konnte die Tränen kaum zurückhalten. „Und wenig später auch Mr. Radford. Er hinterließ ihr etwas Geld, das ich dann erbte. Ende der Geschichte.“
Luc nahm erneut ihre Hand. „Aber nun weinen Sie doch nicht. Half Ihnen denn das Geld?“
„Nun ja, es gab mir Zeit, mich nach dem richtigen Job umzusehen. In verschiedenen Stellen habe ich versucht, durch Praktika ein gewisses Polster an Erfahrungen für meinen späteren Beruf anzulegen. Und danach war immer noch Geld übrig, um mein MBA, meinen Magister für Business Administration ,abzuschließen.“
„Das Examen habe ich auch gemacht“, sagte Luc.
„Ja, ohne diesen Abschluss hätte man mich bei Whitefriars gar nicht als jüngere Teilhaberin akzeptiert. Der Rest meines Lebens ist langweilig“, endete sie, während sie begann, die Sachen zurück in den Picknickkorb zu packen.
„Sie könnten mich nie langweilen.“
„Dazu kennen Sie mich aber zu wenig.“
„Es gibt da eine besondere Situation“, sagte er sanft und strich ihr mit den Fingerspitzen über die Wange. „Allerliebst“, flüsterte er und zog Portia in seine Arme. Er hielt sie eine ganze Weile, und sie schmiegte sich fast hingebungsvoll an ihn, während er sie küsste.
Instinktiv erwiderte Portia seine Zärtlichkeiten, doch schließlich fand sie die Kraft, sich von ihm frei zu machen. „Ist das der Grund, warum Sie wollten, dass ich heute hierher kommen sollte?“, fragte sie und rückte von ihm ab.
Luc sah sie ungläubig an. Dann verhärtete sich sein Blick.
„Nein, das ist er nicht. Denn wenn es mir nur um sexuelles Vergnügen ginge, hätte ich das auch in Paris haben können. Es ging mir nur darum, sicherzustellen, dass dieses Haus dem Zweck dient, wofür ich es erwerben will. Außerdem wollte ich Sie nur trösten. Doch ich sehe nun ein, dass das ein Fehler war.“
Damit war zwischen ihnen alles gesagt. Und während sich Portia im Bad noch einmal frisch machte, wartete Luc im Wagen bereits auf sie. Er war so ungeduldig wie zu Anfang ihrer Bekanntschaft, und während der ersten Kilometer ihrer Heimfahrt war die Stille so schneidend, dass es Portia kaum ertragen konnte.
Inzwischen hatte die Sonne das graue Wolkenmeer durchdrungen und erwärmte die feuchte Luft am Boden zu leichtem Nebel. Wie sehr doch das Wetter ihrer Stimmung entsprach, überlegte Portia. Sie wünschte sich, dass sie mit der Situation feinfühliger umgegangen wäre.
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