Julia Exklusiv Band 0194
Flügeln eine Inschrift eingraviert war.
„Für unsere Freundschaft“, sagte er leise und ließ den Ring über ihren Finger gleiten, den ein Mann wählt, wenn er einer Frau den Verlobungsring überstreift. Das war ihr unerträglich, es kam ihr vor, als spielte er eine Bühnenszene.
„Nein, ich will den Ring nicht“, rief sie. Heftig riss sie sich den Reif vom Finger und warf ihn Tarquin vor die Füße. Dann rannte sie davon. Sie würde ihn nie wiedersehen. Eine Freundschaft war nicht genug. Jetzt nicht mehr.
„Anita!“
Blind vor Tränen rannte sie über die Brücke, ohne sich umzusehen. Plötzlich stolperte sie. Sie hatte die beiden Stufen übersehen, die eine Verbindung zum Erdboden darstellten. Der Länge nach fiel sie ins Gras.
„Anita!“
Tarquin war in Sekunden da, kniete sich neben sie und richtete sie halb auf. Sein Gesicht war grimmig und gleichzeitig besorgt. Er zog sie fest an sich. Sie spürte die Wärme seiner Haut.
„Nein, bitte.“ Anita versuchte, sich zu befreien. Er wollte nur einen Kameraden, ein Spielzeug vielleicht – die kleine Nymphe.
„Mir ist nichts passiert. Bitte, lass mich los. Ich muss nach Hause.“
Er hielt sie fest.
„Nein“, flüsterte er heiser. Seine Arme umschlangen sie noch fester. Er neigte sein Gesicht über sie. Es war, als verdeckte er den Himmel, um selbst Himmel für sie zu sein. Anita stockte der Atem. Die erste zarte Berührung seiner Lippen mit ihrem Mund war unglaublich süß. Bis plötzlich die Wärme zur Flamme wurde, die Zärtlichkeit unterging im Begehren des Mannes, der voller Sehnsucht auf diesen Augenblick gewartet hatte.
Seine Glut steigerte sich. Er küsste sie, bis ihr der Atem verging. Dann wanderten seine Lippen über ihr Gesicht, die Augen, den Hals. Alle Zurückhaltung war vergessen. Seine Leidenschaft überflutete sie. Bis sie halb lachend, halb ängstlich bat, er solle aufhören.
Er hob den Kopf, hielt sie aber weiter in seinen Armen. Langsam wurde es dunkel um sie. Ein Stern nach dem anderen wurde sichtbar. Mit zurückgelegtem Kopf betrachtete Anita den Himmel und fühlte ein Glück, das doch wie am Rande eines Abgrunds schwebte.
„Du bist ein so süßes Geschöpf“, murmelte er an ihrem Ohr. „Ich wusste es vom ersten Augenblick an, als du im halbdunklen Theater standest, den komischen kleinen Hund in deinen Armen. Ich spürte deine Unschuld, deine Ehrlichkeit, und ich habe geschworen, dich nicht zu berühren. Ich wollte nur deine Freundschaft, wollte diese Sonntage mit dir. Nein, ich wollte die Grenze dieser zärtlichen Zuneigung nicht überschreiten.“
Anita konnte nicht sprechen, konnte nicht fragen, warum er die Küsse und die Leidenschaft fürchtete. Sie lag in seinen Armen und betrachtete sein schmerzlich verzogenes Gesicht.
„Liebling“, er vergrub sein Gesicht in ihrem Haar. „Weißt du denn nicht, ahnst du nicht, weshalb ich mich dagegen gewehrt habe? Weshalb ich mir einredete, wir könnten Freunde sein und nicht mehr? Ich weiß, es war dumm, dir den Ring zu geben, denn niemals kann es ein Ehering sein.“
Anita hörte zu. Ihr Herz klopfte gegen die Rippen. Allmählich begann sie zu verstehen.
„Ich bin verheiratet, Anita.“ Es klang spröde. „Hast du dich nicht schon selbst gefragt, warum ich dich nicht geküsst habe? Hast du etwa geglaubt, ich finde dich nicht schön genug?“
„Verheiratet?“
Irgendwo in der Nähe begann die Glocke einer Kirche zu läuten.
„Niemand hat jemals deine Frau erwähnt, Tarquin.“
„Nur meine engsten Freunde wissen es.“
Seufzend half er ihr aufzustehen. Ohne zu sprechen, gingen sie über die Brücke zurück. Tarquin holte ein Feuerzeug aus der Tasche und entzündete es. Nach kurzer Zeit hatte er den Skarabäus-Ring wiedergefunden.
„Bitte, Anita“, er hielt ihr den Schmuck hin, „trage ihn. Ich wäre glücklich, wenn wir Freunde bleiben könnten. Auch wenn wir viel mehr füreinander empfinden.“
„Warum spricht niemand von deiner Frau?“ Sie musste es unbedingt wissen. „Lebst du von ihr getrennt?“
Tarquin drückte Anita den Ring in die Hand.
„Ja, schon lange. Nina wurde nach vier Jahren glücklicher Ehe sehr krank. Ich musste sie in eine Nervenheilanstalt bringen.“ Tarquin fuhr sich mit verzweifelter Geste durch das Haar. „Sie ist Italienerin. Eine große Schönheit, doch hoffnungslos geistig verwirrt. Bis einer von uns stirbt, wird sie immer meine Frau bleiben.“
Mit zitternden Händen streifte sich Anita den Ring auf den Mittelfinger der
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