Julia Exklusiv Band 0194
ihre Stiefschwester, die bereit war, den Meistbietenden zu heiraten.
„Ich glaube an die Liebe, Mister Talgarth, und kann mir kein dauerndes Glück ohne sie vorstellen“, antwortete sie ernst.
„Hat die Liebe Sie glücklich gemacht?“
„Eine lange Zeit war ich sehr glücklich.“
„Sie haben ein Stückchen Himmel gesehen, stimmt’s?“
„So könnte man es nennen, ja.“
„Eines Tages werden auch Sie die Wirklichkeit erkennen, Anita.“
„Diese Liebe war Wirklichkeit“, antwortete sie fest.
„Ein Traum schien Ihnen wirklich zu sein, dann sind Sie erwacht, und der Traum war vorbei.“
„Ach, Sie werden das nie verstehen.“
„Warum glauben Sie das?“
„Würden Sie mir glauben, wenn ich Ihnen etwas über Katmandu erzählte, obwohl ich niemals dagewesen bin und Sie es kennen?“
„Sie wollen sagen, ich müsste mich erst einmal wirklich verlieben, bevor ich darüber sprechen kann?“ Er blitzte sie an, als er sich mit der Serviette den Mund abtupfte. „Noch etwas Kaffee, Anita?“
„Bitte.“
„Ich freue mich, dass Ihnen mein Kaffee schmeckt.“
„Ich bin durstig!“
„He, Sie wollen mich wohl herausfordern!“ Er reichte ihr die gefüllte Tasse. „Eines Tages werde ich Sie übers Knie legen müssen, junge Dame!“
„Dazu müssten Sie mich zuerst einfangen, Mister Talgarth.“
„Das habe ich vor“, knurrte er, „nehmen Sie sich in Acht. Dann werden Sie zuerst verprügelt und dann geküsst.“
Beinahe hätte sie sich verschluckt. Unsicher blinzelte sie ihn an. Doch sein Gesichtsausdruck war unergründlich. Lässig nahm er sich Zucker und rührte den Kaffee um, ohne aufzublicken.
Was für ein strenges, keltisches Gesicht, dachte Anita. Ein Schauer ging ihr über den Rücken. Es war das Gesicht eines Mannes, der genau wusste, was er sagte, und tat, was er sich vorgenommen hatte. Ich sollte doch fortlaufen, dachte sie, so weit es möglich war.
9. KAPITEL
Das Rauschen der ankommenden Flut, das Brechen der Wellen und der Aufprall des Wassers an den Klippen, das war die Musik, die das Schloss von St. Avrell umgab. Hin und wieder lief Anita allein zur Bucht hinunter.
Sie konnte Tarquin nicht vergessen. Wo immer sie war, hörte sie seine Stimme. ‚Glaubst du, ich fürchte mich nicht? Glaubst du, ich will den Schmerz erleiden, mich für immer von dir zu trennen?‘ Dennoch hatte er ihr Lebewohl gesagt, als sei sie eine Fremde. Nun trennte sie der Ozean.
Anita lief am Rande des Wassers entlang. Sie wollte nur an diese Ferien denken, in denen sich eine so merkwürdige Abweichung des Geplanten ergeben hatte.
Sie war nicht nur Gast in diesem Schloss, sie stand auch täglich Modell für die Undine. Zu ihrer Erleichterung hatte Eduard Talgarth erlaubt, dass Kim bei den Sitzungen dabei war. Er arbeitete mit Ton, seine beweglichen Hände formten ihre Gesichtszüge und die Konturen ihres schlanken Körpers. Die Tonfigur ruhte auf einem Stück Felsen, das er vom Strand in sein Studio hatte bringen lassen.
Die Frage, was sie anziehen sollte, war zur längeren Diskussion geworden. Obwohl Jem Lovibond inzwischen den größten Teil ihrer Kleider ins Schloss gebracht hatte, erklärte Eduard, alles sei zu modern. Sie müsse etwas tragen, fand er, was sanft ihre Figur umschloss und wie ein zarter Hauch des Meeres wirkte.
Eines Tages ließ er von Medevil eine Sandelholztruhe in den Salon bringen. Als er sie öffnete, blieben Kim und Anita stumm vor Überraschung und Begeisterung stehen. Die Truhe enthielt Seidenroben in herrlichsten Farben, die so zart waren, dass man sie durch einen schmalen Ring hätte ziehen können.
Anita sah zu Talgarth hinüber. Er lehnte lässig am Kamin, die übliche dünne Zigarre zwischen den Lippen. Er lächelte. Sie überlegte, ob er wohl einmal eine besondere Frau in seinem Leben gehabt hatte, für die er diese exquisiten Kleider aus östlicher Seide mitgebracht hatte.
„Da war einmal ein Kaffeepflanzer auf einer der Inseln“, begann er zu erzählen, „der bestellte eine Aussteuer für seine künftige Frau. Doch als wir die Insel mit der ‚Pandora‘ erreichten, kam ein Hausboy zu uns gelaufen mit der Nachricht, wir sollten die bestellten Kästen und Truhen gar nicht erst ausladen.“
„Die Frau hatte dem Pflanzer geschrieben“, berichtete er weiter, „sie wolle einen anderen heiraten. Ein Leben auf einer Insel schien ihr unerträglich. Irgendwie blieb dann die Sandelholztruhe auf der ‚Pandora‘, bis ich wieder nach Cornwall segelte. Sie finden sicher
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