Julia Exklusiv Band 0194
sehr als Außenseiter und war oft nicht glücklich. Manchmal brachte eine Geste oder ein Blick des Gastgebers ihr das Gefühl zurück, das sie auch bei den St. Cyrs gehabt hatte. Dieses Geschenk war auch nur eine Geste. Die kühle Art, wie Talgarth ihr die Kette mit dem Buddha gegeben hatte, erinnerte sie lebhaft an die Tage ihrer Abhängigkeit in Avendon. Die seltenen Geschenke, die sie dort bekommen hatte, waren immer so übergeben worden, als erfülle man eine lästige Pflicht.
Sie wollte nichts geschenkt haben, von keinem, wenn es nicht von Herzen gegeben wurde. Sie fühlte sich heute so verzweifelt wehrlos, so empfindsam und allein. Als Talgarth zu ihr trat, glaubte sie, ihre Füße würden sie nicht mehr tragen. Sie war blass geworden.
„Was ist los?“, fragte er mit dunkler Stimme. „Habe ich etwas getan oder gesagt, was Sie verletzt hat? Das kann ich mir kaum vorstellen, Anita. Sie sind immun gegen alles, was ich Ihnen zufügen könnte. Ich bin nur der langweilige Mann aus Cornwall, der die merkwürdige Gabe hat, Ihre Gedanken lesen zu können. Ich weiß genau, was Sie denken.“
„Das können Sie nicht wissen.“
„Doch, Anita. Sie denken an Avendon und wie überflüssig Sie dort waren. Immer haben Sie dort im Schatten gestanden, stets den zweiten Platz eingenommen. Die Freude der anderen haben Sie immer aus dem Hintergrund beobachtet. Dann fanden Sie selbst ein kurzes Glück, doch der Vorhang fiel vorzeitig. Jetzt sind Ihre Gefühle verletzt, und Sie sind rebellisch. Sie wollen nicht mehr in Dunkelheit und Kälte sein, Sie möchten geliebt werden, Anita, nicht wahr?“
„Oh, hören Sie auf!“
Vergeblich bekämpfte sie ihre Schwäche. Sie wollte fort, fort von diesem Mann mit dem dunklen Gesicht.
„Kim, ich gehe zu Bett, kommst du auch?“
„Sieh doch nur, Anita, was ich hier in der Truhe gefunden habe. Kannst du mir nicht ein Kleid machen aus dieser wunderschönen Seide“, fragte Kim.
„Ja, Kleines, morgen.“
„Gute Nacht, Anita“, murmelte Eduard. „Ich wünsche süße Träume.“
„Ich …“ Anita wollte protestieren, wollte ihm sagen, dass sie ihn hasste. Es war entsetzlich, wie ein offenes Buch für diesen Mann zu sein, als ob kein Geheimnis vor ihm bewahrt bleiben konnte.
„Sagen Sie es nicht“, warnte er sie. „Sie könnten es eines Tages bereuen.“
„Sie sind unmöglich“, rief sie ihm zu und wandte sich ab. Schnell verließ sie den Salon.
Anita war schon halb die Treppe hinaufgelaufen, ehe Kim sie einholte.
„Du hast schon wieder mit ihm gestritten“, murrte Kim. „Ich verstehe nicht, warum du immer so merkwürdig bist.“
„Das ist ganz einfach!“, fauchte Anita. „Er ist ein Teufel – der schlimmste, den ich je getroffen habe. Er war so lange Kapitän auf einem Schiff, dass er meint, er könnte jeden herumkommandieren, wie er es jahrelang mit seiner bedauernswerten Mannschaft getan hat. Die armen Männer. Sie müssen gedacht haben, unter dem Kommando des schrecklichen Kapitäns Bligh zu stehen.“
Kim kicherte. „Du bist komisch, Anita!“
„Ich bin froh, dass dir mein Humor gefällt, doch leider finde ich das alles nicht witzig! Je schneller Rock Haven wieder instand gesetzt ist, umso besser. Dann können wir packen und das Schloss verlassen – und diesen Mann.“
„Dabei war er so nett und hat uns jedem eine Goldkette geschenkt. Ich werde sie heute mit ins Bett nehmen.
Er wollte mir einen Ring geben, doch das wird er sich für später aufheben, wenn ich älter bin. Es ist sehr bezeichnend, wenn ein Mann einer Frau einen Ring schenkt. Also, es wäre ja toll, wenn Eduard eine von uns zu seiner Braut macht.“
„Was redest du nur für einen Unsinn!“ Zornig warf Anita ihre Goldkette auf den Frisiertisch.
Als sie sich auszog, bemerkte sie, dass Kim heute in ihr eigenes Zimmer gegangen war, nur die Verbindungstür hatte sie offen gelassen.
„Gute Nacht, Kim“, rief Anita, „schlafe gut.“
„Gute Nacht“, klang es leise aus dem anderen Zimmer.
Wenn die täglichen Sitzungen für die Undine beendet waren, gingen Kim und Anita auf Entdeckungsreisen im Schloss und in seiner Umgebung. Sie waren auf einen Tennisplatz gestoßen und hatten in einem Schuppen Tennisschläger und Bälle gefunden. Manchmal kam auch Talgarth zu einem Spiel. Dann jagte er die beiden Mädchen gehörig.
Sie machten viele Ausflüge im Jagdwagen. Eduard kutschierte sie durchs Moor, zeigte ihnen romantische Schlossruinen, die Stadt Tintagel und die kleine Kirche zu den
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