Julia Exklusiv Band 0194
In diesem Punkt hatte sie keine Wahl. Ungeachtet der Konsequenzen? Plötzlich hatte sie eine Idee. Sobald Adrian sich auf dem Heimflug nach London befand, war er in Sicherheit! Sharif hatte sie eine Lügnerin und Betrügerin genannt. Warum sollte sie sich anders verhalten? Er verdiente es, überlistet zu werden. Er verdiente es, getäuscht zu werden. Für die Sünde, einen Stiefvater zu haben, der geradewegs aus der Hölle zu stammen schien, hatte sie bereits genug gebüßt.
„Kann ich helfen?“
Faye sah Latif vor sich und stand auf. „Ich würde gern telefonieren.“
Der kleine Mann blickte unbehaglich drein.
„Sogar einem Kriminellen wird normalerweise ein Anruf gestattet – aber vielleicht nicht in einem so zivilisierten und humanen Land wie Jumar“, fügte sie bitter hinzu.
Latif wurde rot und neigte den Kopf. „Hier entlang, bitte.“ Er führte sie in ein Büro und ließ sie dann allein. Faye rief ihren Stiefvater auf seinem Handy an.
„Faye?“, fragte Percy laut. „Welche Fäden du auch immer gezogen hast, es funktioniert! Ich habe zwar noch keine endgültige Bestätigung, aber so, wie es aussieht, wird Adrian am Nachmittag frei sein und …“
„Beantworte mir nur eine Frage“, unterbrach sie ihn. „Am Tag der Hochzeit habe ich dir einen Umschlag gegeben. Was hast du mit dem Scheck darin gemacht?“
Nach kurzem Schweigen räusperte sich Percy.
„Du hast das Geld genommen, oder?“, hakte sie angewidert nach. „Du hast Sharif glauben lassen, er könnte mich kaufen – so als wäre ich auch eine Erpresserin.“
„Adrian hat das meiste davon bekommen, ohne zu ahnen, woher es stammt. Hör auf, von Erpressung zu reden, Faye. Ich habe lediglich deine Interessen geschützt, und wenn Sharif für unser Schweigen bezahlen wollte, warum hätte ich das Geld nicht nehmen sollen?“, verteidigte sich ihr Stiefvater. „Es ist in der Familie geblieben.“
„Du bist ein Betrüger und ein Dieb. Du hast meine Mutter ausgeplündert und mich ausgenutzt. Beleidige nicht meine Intelligenz, indem du von Familie sprichst.“ Faye legte auf.
Hocherhobenen Hauptes kehrte sie zum Ausgang zurück und stieg in die Limousine. „Wie gut glaubst du mich zu kennen?“, hatte Sharif gefragt. Nun, eines Tages würde er sich wundern, ob er sie je gekannt hatte!
Die Fahrt nach Muraaba dauerte länger, als Faye vermutet hatte. Nachdem sie die Stadtgrenze passiert hatten, erstreckte sich vor ihnen meilenweit nichts als Wüste. Faye war fasziniert von der Leere und den endlosen Sanddünen.
In der Ferne sah sie ein massiges, von befestigten Mauern umgebenes Gebäude, das immer höher wurde, je näher sie kamen. Als der Wagen heranrollte, sprangen einige Einheimische auf, die im Schatten gekauert hatten, und öffneten das Tor. Es gab insgesamt zwei solide Eisentore, wie Faye registrierte, ein hohes äußeres und ein niedriges im inneren Bereich.
Innerhalb der Mauern erstreckten sich prächtige Terrassengärten in alle Himmelsrichtungen. Sie hatte jedoch kein Auge für die Schönheit, sondern zählte die Wachen und erkannte dabei, dass Sharifs Wüstenpalast einer längeren Belagerung wahrscheinlich standhalten würde. Ihre Zuversicht schwand. Der vage Plan, innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden zu fliehen, erwies sich als schwieriger, als sie naiverweise gehofft hatte.
Ohne auf die neugierigen Blicke und Tuscheleien zu achten, die ihr auf ihrem Weg folgten, betrat Faye den Palast. Überall nahmen die Soldaten Haltung an, präsentierten die Waffen und salutierten. Sie ging weiter. Die Muraaba war ein altes Gebäude. Fantastische Mosaiken in leuchtendem Türkis, Grün und Gold schmückten die Wände der großen Halle, in der ihre Schritte widerhallten.
Ein Schmerzensschrei, gefolgt vom Ruf eines Kindes, durchbrach die Stille und ließ Faye zunächst zusammenzucken und dann sofort nach der Quelle suchen. Falls ein Kind verletzt worden war …
Auf der Schwelle zu einem Raum blieb sie stehen. Die Szene, die sich ihr bot, war so unglaublich, dass sie ihren Augen kaum traute. Drei Dienstboten drängten sich wimmernd an die Wand, und ein vierter – eine Frau – lag auf den Knien, während ein kleiner Junge mit einer Rute auf sie einschlug. Einen Moment lang wartete Faye darauf, dass jemand vom Personal eingreifen würde, aber es schritt niemand ein, und das Opfer wirkte viel zu verschüchtert, um sich zu wehren.
Faye trat vor. „Hör auf damit!“
Der Junge hielt kurz verwundert inne, dann machte er
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