Julia Exklusiv Band 0194
und senkten die Köpfe. Eine ältere Besucherin erhob sich schwerfällig und weinte. Heiße Röte stieg Faye in die Wangen. Wie sollte sie auf eine derart persönliche Beleidigung in der Öffentlichkeit reagieren? Und warum interessierte sich die boshafte Schwarzhaarige dafür, ob sie noch unberührt war oder nicht? Wieso war das überhaupt ein Thema?
Shiran, die zu ihren Füßen kauerte, stöhnte auf. „Dies ist eine schwere Beleidigung, Mylady. Die weinende Frau ist Lady Majidas Mutter. Sie will ihren Kummer über das Benehmen ihrer Tochter ausdrücken.“
Die schluchzende Frau sank auf ihren Platz zurück. Alle waren erleichtert, als in diesem Moment die Speisen aufgetragen wurden. Jedes Gericht wurde zuerst Faye präsentiert, aber ihr war der Appetit vergangen. Nachdem das opulente Mahl beendet war, kam Majida erneut zu ihr und murmelte eine Entschuldigung. Da Faye spürte, dass die Worte genauso kalkuliert waren wie die Beleidigung zuvor, rang sie sich lediglich ein kühles Lächeln ab.
Allmählich gewöhnte sie sich an die weibliche Gesellschaft und zuckte deshalb zusammen, als plötzlich Sharif hereinkam. Er wurde von gleichermaßen erstaunten wie entzückten Rufen begrüßt. Sein Anblick verschlug ihr den Atem. In ein prachtvolles Seidengewand gekleidet, das ebenso üppig bestickt war wie ihr eigenes, sah er unbeschreiblich attraktiv aus. Eingedenk der erbitterten Vorwürfe, mit denen er sie vorhin überschüttet hatte, straffte sie jedoch die Schultern und schaute zu den anderen Männern hinüber, die hinter ihm in den Raum strömten. Manche lächelten, manche wirkten ein wenig verlegen. Latif trat als Letzter ein, sein breites Lächeln verriet, dass er bester Laune war.
Sharif setzte sich neben Faye. „Lass uns Frieden schließen“, raunte er ihr zu.
„Das dürfte nicht funktionieren, da ich deiner Meinung nach ja so durchtrieben bin, dass mich eigentlich längst der Blitz hätte treffen müssen.“
„So etwas sagt man nicht einmal im Scherz.“
„An meiner Situation ist absolut nichts Komisches“, entgegnete sie bitter.
„Ich möchte nur eine Brücke schlagen.“
„O nein, du hast eine Mauer errichtet und alle Brücken in die Luft gejagt.“
Inzwischen waren Musiker hereingekommen und begannen, ein für Fayes Ohren ziemlich schrilles Stück zu spielen.
„Es ist anders als westliche Musik, aber eine überlieferte Melodie, die immer bei solchen Anlässen vorgetragen wird“, erklärte er leise.
Eine Sängerin trat vor. Sie hatte eine betörende Stimme, aber Faye missfiel gründlich die Art und Weise, wie sie ihren schlanken Körper aufreizend vor Sharif bewegte. „Deine Chancen stehen gut“, wisperte sie spöttisch. „Hier ist eine Frau, die geradezu darauf brennt, in deinem Harem zu landen.“
„Ich habe aber keinen“, erwiderte er.
„Sind schon zu viele Frauen ausgebrochen? Das ist schlecht für das Macho-Image.“
„Noch ein Wort und …“
„Und was? Willst du mich dann zum Flughafen bringen lassen? Ich warne dich, ich muss getragen werden, denn in diesem Kostüm kann ich mich kaum auf den Füßen halten. Verrate mir eines – schläfst du nur mit Jungfrauen?“
„Wie kommst du denn darauf?“, fragte er verblüfft.
„Ich freunde mich allmählich mit dem Dasein als Konkubine an. Werde ich eigentlich in einen Sack gesteckt und im Golf ertränkt, sobald du meiner überdrüssig bist?“
„Ein Sack wäre jetzt recht nützlich. Du willst, dass ich mich entschuldige, oder?“
„O nein, nicht einmal du könntest die Demütigung wieder gutmachen, vor so vielen Leuten von einer Fremden zu hören, dass man keine Jungfrau mehr sei. Ich fand das nicht nur seltsam, sondern absurd und mittelalterlich.“
Empört umklammerte Sharif die Armlehnen seines Stuhls. „Wer hat das zu dir gesagt? Wer war so dreist?“
Entsetzt sah Faye ihn an. Er hatte die Stimme nicht gesenkt, und seine Augen funkelten vor Zorn. „Um Himmels willen, beruhige dich!“
„Nachdem du so beleidigt wurdest? Welcher Mann würde bei einem solchen Affront ruhig bleiben?“
„Du machst mich nervös.“
„Sag mir den Namen.“
„Nicht, solange du dich dermaßen aufführst. Es hat heute schon genug Aufregungen gegeben.“
„Meine Ehre wurde verletzt“, beharrte er.
Faye schloss die Augen. Sie hatte an diesem Tag die Unterschiede ihrer beider Kulturen mehrfach zu spüren bekommen. Seit ihrer Ankunft in Jumar verstand sie die Welt nicht mehr. Es war ihr unbegreiflich, wie man sie behandelte und wie
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