Julia Exklusiv Band 0197
Qualifikation, eine besser bezahlte Stelle in einem schicken Stadtsalon zu ergattern.“
„Du bist also dabei geblieben, bis du zu deiner großen Tour durch Europa aufgebrochen bist?“, erkundigte sich Nic interessiert.
„Ja. Michelle hatte inzwischen David geheiratet, und schließlich kam Erin auf die Welt. Die drei waren eine sehr glückliche kleine Familie … und ich hatte das Gefühl, das sei der richtige Zeitpunkt, eine Auszeit zu nehmen und mir die Welt anzusehen. Das Glück blieb mir treu. In London bekam ich einen Job in einem exklusiven Salon, wodurch ich meine Ersparnisse erheblich aufbessern konnte.“ Serena lächelte. „Die reichen Kunden fanden es ‚schick‘, sich von der ‚Australierin‘ das Haar machen zu lassen … sie fragten oft ausdrücklich nach mir.“
„Und ich bin sicher, du hast sie nie enttäuscht“, meinte Nic anerkennend.
„Wie auch immer … für mich war es jedenfalls sehr praktisch. Zwischen meinen ausgedehnten Rucksacktouren konnte ich immer wieder nach London zurückkehren und meine Reisekasse auffüllen. Dort erreichte mich dann auch Michelles Nachricht von Davids Tod.“
„Du hast gesagt, er sei in ‚Ausübung seiner Pflicht‘ gestorben“, erinnerte sich Nic. „Was genau hast du damit gemeint?“
Serena seufzte. „Er war auch Polizist. Eines Tages stoppte er ein Fahrzeug, das als gestohlen gemeldet war, und der Fahrer erschoss ihn ohne Vorwarnung. Ich bin natürlich sofort nach Hause geflogen. Michelle brauchte mich. Die folgenden Monate waren sehr hart … Hast du schon einmal einen Menschen verloren, der dir sehr nahe stand, Nic?“
„Nein“, gestand er ehrlich. „Sogar meine Großeltern sind noch am Leben.“
Seine Welt war also noch nie in ihren Grundfesten erschüttert worden. Wie sollte er die Auswirkungen begreifen? Serena sah ihn an. Er wirkte so stark, so unbesiegbar, und das war vermutlich ein ganz wesentlicher Teil der unwiderstehlichen Anziehung, die er auf sie ausübte … dieses angeborene Selbstbewusstsein, dass nichts ihn bezwingen könnte. Hatte das seinen Ursprung in dem sicheren Hintergrund einer reichen Familie, oder lag es in seinen Genen? Serena wusste eigentlich nur, dass sie sich in seiner Gesellschaft gut und sicher fühlte … wenn sie nicht gerade über ihren unterschiedlichen Hintergrund nachgrübelte.
Ein Ober kam an ihren Tisch und servierte den Wein. Serena ließ den Blick über das Meer hinausschweifen, das im abendlichen Zwielicht silbergrau schimmerte. Auch das Leben kannte viele Grautöne, und augenblicklich bewegte sie sich mit Nic in einer solchen Zone, die rasch in trostloses Schwarz umschlagen konnte.
Obwohl der Kellner sich zurückgezogen hatte, zögerte Nic, in Serenas nachdenkliche Stimmung einzubrechen. Der Mann am Klavier, der für gedämpfte Hintergrundmusik in dem Restaurant sorgte, stimmte gerade „Memories“ aus dem Musical „Cats“ an. Nic hatte das Gefühl, Serenas Erinnerungen respektieren und ihr Zeit lassen zu müssen, sich wieder ihm zuzuwenden.
Sein Lebensweg war bislang vielleicht zu leicht und glatt verlaufen. Er war in vieler Hinsicht vom Schicksal begünstigt worden. Wie wäre er mit den Tragödien fertig geworden, denen Serena und ihre Schwester sich hatten stellen müssen? Er konnte es sich nicht vorstellen, sondern die beiden nur für ihre Kraft bewundern, mit der sie diese Katastrophen gemeistert hatten.
Michelle hatte ihr Studium aufgeben müssen, Serena die Schule, und sie hatte eine Lehre als Friseurin gemacht. Auf diese Weise hatten sie zusammenbleiben können und sich nie im Stich gelassen, wenn sie sich brauchten.
Der Klavierspieler sang mit erhobener Stimme die letzte Zeile des Songs „A new day has begun“.
Ein neuer Tag fängt an … Wie auf ein Stichwort sah Serena Nic an. Ein kleines, spöttisches Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Beim zweiten Mal war wenigstens etwas Geld da … um den neuen Tag in Angriff zu nehmen.“
Er nickte. Sie meinte die Entschädigungszahlung für Davids Tod.
„Aber Michelle konnte es nicht ertragen, in Sydney zu bleiben. Ich glaube, der Kauf des Anwesens in Holgate und die Arbeit mit den Tieren war wie eine Zuflucht in das, was wir aus unserer Kinderzeit kannten. Für Michelle und Erin war es gut, ist es immer noch das Richtige.“
„Es macht schon den Eindruck, als hätten sie sich ihr Leben gut eingerichtet“, pflichtete Nic ihr bei. „Und was ist mit dir, Serena?“
Sie schüttelte den Kopf. „Für mich war es nichts.
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