Julia Exklusiv Band 0197
sie sich entsann, hatte sie im begehbaren Schrank unter der Treppe ein paar Liegestühle gesehen. Sie schleppte einen in den Garten, klappte ihn auseinander und streckte sich darauf aus. Eingelullt von der Sonnenwärme, vom leisen Summen der Bienen und Vogelgezwitscher, döste sie ein. Wie erholsam es hier ist, dachte sie, als sie eine halbe Stunde später aus ihrem Halbschlaf erwachte, wie ruhig und friedlich im Gegensatz zum Londoner Lärm und Großstadttreiben …
Plötzlich wurde ganz in der Nähe ein gellender Schrei laut. Cleo zuckte heftig zusammen, riss verschlafen die Augen auf und drehte sich um. Da sah sie einen brüllenden kleinen Jungen, der irgendetwas durch die Luft schwenkte, zum Ende des Gartens laufen.
„Gib’s mir sofort zurück!“, kreischte eine andere Stimme, und ein zweites Kind rannte hinterher – offenbar ein Mädchen, nach den langen dunklen Haaren zu schließen. Ansonsten wären die beiden nicht zu unterscheiden gewesen, denn sie trugen die gleichen abgewetzten Jeans und alten T-Shirts. Schreiend stürmten sie über die verwilderten Blumenbeete hinweg und zertrampelten das hohe Gras.
Das ist also die ländliche Ruhe, sagte sich Cleo grimmig und stand auf. Was waren das für Kinder? Offenbar stammten sie aus dem Dorf und hielten diesen Garten für einen wundervollen Spielplatz. Nun, sie sollten gefälligst verschwinden und den friedlichen Nachmittag anderer Leute nicht stören!
Als die Kinder an ihr vorbeiliefen und nicht die geringste Notiz von ihr nahmen, packte sie die beiden blitzschnell an den T-Shirts und hielt sie fest.
Zwei dunkle Augenpaare richteten sich auf ihr Gesicht. Die Wangen erhitzt, schnappten die Kinder nach Luft. Sicher werden sie bald wieder zu Atem kommen, dachte Cleo. Ich muss sie rausbringen, ehe sie sich wieder losreißen können. „Das ist ein Privatgrundstück!“, rief sie in betont strengem Ton. „Hier dürft ihr nicht spielen.“
Die beiden starrten sie entgeistert an.
„Stellt euch nicht dumm!“, schimpfte sie. „Ihr wisst genau, was ich meine. Geht jetzt nach Hause!“
Energisch versuchte sie, die Kinder zum Gatter zu zerren, und in diesem Moment sah sie Maxim mit langen Schritten aus dem Haus kommen. Sie wollte ihm erklären, sie würde gerade zwei kleine Eindringlinge hinausbefördern, doch dann sah sie seine wütende Miene, und die Worte blieben ihr im Hals stecken.
„Lassen Sie die Kinder los!“, schrie er.
„Aber – sie sind in Ihrem Garten herumgelaufen“, erklärte Cleo stockend, „haben schrecklichen Lärm gemacht und alles zertreten …“
„Natürlich! Sie wohnen hier. Das sind meine Kinder. Lassen Sie sie sofort los!“
Rasch gehorchte sie. „Ihre Kinder?“
„William, Alice – geht ins Haus und helft Tante Sarah, eure Sachen auszupacken!“, befahl Maxim.
Nachdem sie Cleo einen unheilvollen Blick zugeworfen hatten, trotteten sie davon. Nervös trat sie von einem Fuß auf den anderen. „Ich wusste nicht, dass Sie … eh … Kinder haben. Davon erwähnten Sie nichts …“
„Weil es keinen Grund dafür gab. Ich hatte sie erst am Wochenende erwartet. Sie verbrachten ein paar Wochen bei der Familie meiner Schwester. Aber einer von Sarahs kleinen Söhnen bekam Windpocken. Deshalb brachte sie Alice und William schon früher nach Hause.“
„Entschuldigen Sie bitte. Ich dachte, es wären Kinder aus dem Dorf …“
„Selbst wenn es so gewesen wäre! Sie hätten die beiden nicht wie kleine Verbrecher behandeln dürfen.“
„Aber ich habe sie doch nur an den T-Shirts festgehalten“, verteidigte sich Cleo. „Ich war im Liegestuhl halb eingeschlafen. Plötzlich hörte ich ohrenbetäubendes Geschrei, und ich kam gar nicht dazu, mir zu überlegen, was ich tat.“
„Dafür sollten Sie sich Zeit nehmen, wenn es um kleine Kinder geht.“
„In Zukunft werde ich daran denken“, versprach sie leise. „Und ich bitte Sie nochmals um Entschuldigung.“
„Nun, es ist ja nichts Schlimmes passiert“, lenkte Maxim ein. „Abgesehen von dem schlechten Eindruck, den sie auf Alice und William gemacht haben. Nach dieser Szene wird es Ihnen schwerfallen, sich einigermaßen mit den beiden anzufreunden.“
Cleo zuckte die Schultern. „Das wäre so oder so problematisch. Ich verstehe nichts von Kindern und weiß nicht, wie man sie behandelt.“
„Gibt es keine Kinder in Ihrer Familie? Keine Neffen oder Nichten?“
„Nein“, erwiderte sie ein bisschen traurig. „Ich habe nur meinen Vater, zwei ältere Tanten und meine
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