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Julia Exklusiv Band 238 (German Edition)

Julia Exklusiv Band 238 (German Edition)

Titel: Julia Exklusiv Band 238 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Fielding
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Foto damit wieder zum Leben erwecken. Genauso wie er damals versucht hatte, sie bei sich zu behalten, obwohl sie beide gewusst hatten, dass das unmöglich war.
    „Ich habe alles getan, um sie am Leben zu halten“, sagte er, wissend, dass Lucy ihm gefolgt war und nun in der offenen Tür stand. Er brauchte sich nicht umzudrehen, er konnte ihren Anblick auch so vor sich sehen. Schon jetzt beherrschte Lucy seine Gedanken, hatte nicht nur in seinem Haus, sondern auch in seinem Kopf Noors Platz eingenommen.
    Wenn er sich jetzt umdrehte, um Lucy anzusehen, würde Noors Bild noch stärker verblassen. Er befürchtete, dass ihre Stimme, ihr Lachen bald nur noch ein undeutliches Rauschen in seiner Erinnerung sein würden.
    „Sie wollte hierher zurückkommen und noch etwas Zeit mit ihrem Kind verbringen“, sagte er leise, „in Frieden sterben. Aber ich konnte sie nicht gehen lassen. Mir zuliebe hat sie sich dann in ein Krankenhaus einweisen lassen, hat dort ihre letzten Tage verbracht und sich einer Therapie unterzogen, für die es längst zu spät war.“
    Lucy lehnte ihre Krücken gegen den Schreibtisch, nahm das Bild aus seinen Händen und betrachtete es aufmerksam. „Sie war wunderschön.“
    „Es war Noor, die den Spiegel im Badezimmer zerbrochen hat“, fuhr Hanif fort. „Sie hat eine Parfümflasche dagegengeworfen, weil sie ihren Anblick nicht länger ertragen konnte. Sie fand sich zuletzt furchtbar hässlich.“
    „Wie konnte sie sich hässlich finden, wenn sie doch nur in Ihre Augen blicken musste, um zu wissen, wie sehr Sie sie lieben?“
    Er runzelte die Stirn und sah Lucy verständnislos an.
    „Ich habe bemerkt, wie Ihr Gesichtsausdruck sich verändert, wenn Sie von ihr sprechen. Das Äußere eines Menschen mag sich verändern, aber das hat nichts mit den Gefühlen zu tun, die wir für ihn empfinden. Unsere Liebe bleibt bestehen.“
    „Ist das so?“, fragte er bitter. „Wenn ich Noor wirklich geliebt hätte, hätte ich sie so sterben lassen, wie sie es sich gewünscht hatte – zu Hause, mit ihrem Baby im Arm.“ Noch nie zuvor hatte er diese Worte ausgesprochen und seinen Schuldgefühlen so deutlich Ausdruck verliehen. Stattdessen hatte er sie jahrelang in seinem Inneren verschlossen, aus Angst, dass seine Empfindungen ihn vernichten könnten, wenn er ihnen freien Lauf ließ.
    Er hätte nicht zu sagen vermocht, warum er sich ihnen jetzt stellte. Er wusste nur, dass seit Lucys Unfall alles anders geworden war. Etwas in seinem Innersten war erschüttert worden, und es war, als habe sich dadurch eine Blockade gelöst. Auf einmal konnte er den Schmerz wieder spüren, wie ein taub gewordenes Körperteil, in das langsam wieder Gefühl kommt. Er sah Lucy an und fragte mit gepresster Stimme: „Wie soll ich mir das jemals verzeihen?“
    „Sie wollten Sie nicht verlieren, Han. Ich bin mir sicher, dass sie das verstanden hat. Sie sind auch nur ein Mensch.“
    „Aber ist das eine Entschuldigung?“
    „Es ist der gleiche Grund, aus dem Noor den Spiegel zerbrochen hat“, gab Lucy zu bedenken. „Jedes Mal, wenn sie hineingesehen hat, hat sie das daran erinnert, dass sie niemals erleben wird, wie ihre eigene Tochter zu einer jungen Frau heranwachsen und eines Tages selbst Kinder bekommen wird.“
    Es war ein unbestimmtes Gefühl gewesen, das sie dazu veranlasst hatte, Hanif zu folgen. Nichts an seiner Stimme oder seinem Gesichtsausdruck hatte darauf hingewiesen, dass sie ihn verletzt oder verärgert hätte. Und doch hatte er sich so unvermittelt von ihr abgewandt, dass sie gleich das Gefühl gehabt hatte, dass etwas nicht stimmte.
    Sie hatte sich zwar gesagt, dass es vielleicht besser war, ihn allein zu lassen und sich stattdessen den Garten anzusehen, doch es hatte nichts genützt. Sie hatte einfach nicht weitergehen können.
    Also hatte sie sich einen Vorwand zurechtgelegt, hatte sich vorgenommen, ihn um Papier und einen Stift zu bitten, um die Dankesbriefe an seine und Zahirs Schwester zu schreiben.
    Nun, während sie neben ihm stand und er sie erwartungsvoll ansah, wünschte sie, sie hätte doch lieber dem Garten den Vorzug gegeben. Nicht weil sie die Frage, die in seinen Augen stand, nicht beantworten konnte, sondern gerade weil sie es konnte. Für einen Außenstehenden war es so offensichtlich, dass Hanif von Wut zerfressen wurde: Wut auf Noor, weil sie ihn verlassen hatte, und Wut auf Ameerah, weil sie ihm seine Frau weggenommen hatte. Und weil er wusste, dass diese Wut nicht berechtigt war, hasste er sich

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